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0583 - Schädeltanz am Hudson

0583 - Schädeltanz am Hudson

Titel: 0583 - Schädeltanz am Hudson
Autoren: Jason Dark
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New York – Manhattan!
    Das Licht der untergehenden Abendsonne gab den Wolkenkratzern einen roten Schein. Sie sahen aus wie schlanke Schmuckstücke, die aus einer Riesenschatulle hervorwuchs, um nach dem Himmel zu greifen. Der verlor allmählich seine Röte und zollte der abendlichen Dunkelheit Tribut.
    Die letzten Tage waren auch in New York heiß gewesen. Da hatte es in den Straßenschluchten bereits gekocht, da waren die Menschen wilder geworden, doch mit dem Einbruch der Dunkelheit wehte vom Atlantik her eine südöstliche Brise, die auch Kühlung brachte und daran erinnerte, daß erst Frühling war.
    Auch in der 80. Straße West war es heiß gewesen. Selbst die Nähe zum Hudson River hatte sich kaum ausgewirkt, es sei denn, man bezeichnete den fauligen Geruch als kühlend, der vom Fluß her gegen die Fronten der Häuser und Blocks drang.
    Der Block!
    Seit einiger Zeit war er in Manhattan »in«. Man wohnte in einem Haus, man wohnte in einer Straße, aber man sprach nur vom Block.
    Der Block war alles und nichts. Eigentlich war er zweigeteilt, zwei Städte, zwei Kulturen, farbig und weiß, aber auch arm und immens reich. Hier staute man sich, hier lebten die Extreme zusammen, die Dealer, die Killer, die Yuppies und Broker.
    Wohnungen unterschiedlich wie Tag und Nacht, ebenso verhielt es sich mit den Fassaden der Häuser, die zum Block gehörten. Kaum einen Steinwurf entfernt lagen sie auseinander. Das Haus mit Wohnungen für 200.000 Dollar und die Löcher für Kriminelle. Häuser, die kaum jemand genau kannte, wo die Wohnungen mehr Schlupfwinkeln glichen, wo man umgebaut und Gänge gegraben hatte.
    Der Block in der 80. Straße West war die Heimat von rund Bewohnern. Er begann an der Ecke Columbus Aye, und genau dort stand auch das Haus Nr. 165, von den Beamten des 20. Polizeireviers Höllenloch genannt. Eine Ansammlung für Dealer und Kriminelle, ein Haufen menschlicher Abfall, wie es eine Zeitung mal formulierte, aber gleichzeitig so etwas wie die Seele des Blocks.
    Denn hier lebte Roxie!
    Eigentlich hieß sie Rosanna Chica, aber den Namen hatte sie längst vergessen. Siebenundfünfzig Jahre zählte sie, und seit dreißig Jahren lebte sie mit Hunden und Katzen in diesem Block. Die Monatsmiete von zweihundertfünfzig Dollar konnte sie nicht bezahlen, nur bekam man sie hier auch nicht raus, höchstens mit den Füßen voran.
    Das traute sich niemand. Roxie war so etwas wie ein großes Tabu, sowohl für die Polizisten als auch für die Dealer.
    Man konnte sie auch als die Seele des Blocks bezeichnen. Rosanna kannte, sah und wußte alles, und sie sah noch mehr, viel mehr, denn sie besaß, das wußten auch viele, das Zweite Gesicht.
    Ihre Wohnung lag unten. Selbst im Winter stand das Fenster oft genug offen. Roxie bekam mit, was auf der Straße ablief. Sie hatte Szenen zum Lachen und Weinen gesehen, sie kannte die Menschen.
    Wer vor ihr stand, hatte das Gefühl, von ihren großen, dunklen Augen verschlungen zu werden. Roxie schaute bis auf den Grund der Seele.
    Geboren war sie in der Karibik, ein Mischling mit dunkler Haut. In ihrem Gesicht fiel die sehr lange Nase auf, der Mittelpunkt zahlreicher Falten, die ein Muster zeichneten. Über dem breiten Nasenrücken leuchteten die dunklen Augen. Die Haare waren kaum zu sehen, denn Roxie trug stets eine blaue Wollmütze. Auf sie war die Frau stolz wie mancher Cop auf seine Uniform.
    Roxie bewegte sich zwischen Dealern, Süchtigen und Yuppies so locker, als hätte sie nie im Leben etwas anderes getan. Sie war fast immer blank, trotzdem lebte sie.
    Zu hungern brauchte sie nicht. Ein Dollar fünfzig reichten oft genug für einen Hähnchenschenkel, die besonders gut im »La Minita« schmeckten, einem spanischen Supermarkt, wo man auch essen konnte. Dieser Supermarkt war Treffpunkt vieler Blockbewohner.
    Sogar für Rosannas Hund fiel hin und wieder etwas ab.
    Ja, sie war schon eine Institution. Sie gehörte dazu, sie war akzeptiert, und es sollte sogar Leute geben, die sich bei ihr Rat holten.
    Leider hörten nicht alle auf sie. Dabei hatte sie es ihnen gesagt, sogar den Cops. Die hatten sie ausgelacht. Roxie hatte sie nur sehr lange angesehen und gemeint: »Ihr werdet euch noch wundern. Bald sind die Nächte hier am Hudson nicht mehr so, wie sie einmal waren. Sie werden verändert sein, und ihr alle werdet es zu spüren bekommen. Wehe dem, der dann nicht auf der Hut ist.«
    Sie war auf der Hut, denn ihr würden die Schädel nichts tun, ganz bestimmt nicht. Nördlich des
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