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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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Herr. Da ist Qualität garantiert.«
    Die Wohnungen im Viertel waren klein, aber im Vergleich zu diesen Zwanzig-Quadratmeter-Schachteln, die das Bauministerium heutzutage bewirbt, nahmen sie sich wie Paläste aus. Außerdem hatten sie kleine Balkone mit schmiedeeisernen Gittern, ein Luxus, den heute kein Bauherr mehr zulassen würde. Auf der Plaza del Surtidor herrschte buntes Treiben, seit jeher stand dort eine kirchliche Schule, die heute die Würde eines republikanischen Athenäums ausstrahlte. Weiter oben befanden sich Treppen, die auf den Berg hinaufführten, wo die Mädchen früher pinkeln gingen. Und ganz in der Nähe gab es die Tor-Kneipe , eindeutiger ging es nicht.
    »Señor David Miralles wohnt doch hier?«
    Die Nachbarin wischte gerade die Treppe, wie es mit Sicherheit schon ihre Mutter und ihre Großmutter an derselben Stelle getan hatten, obwohl in den Zeitungen schon längst über die Emanzipation der Frau geschrieben wurde. Sie sah Méndez neugierig an.
    »Der Bodyguard?«
    Méndez wusste nicht, dass David Miralles, der Mörder, Bodyguard war, aber da Nachbarinnen immer alles wissen, murmelte er: »Ja.«
    »Den werden Sie jetzt nicht antreffen. Er ist mit seinem Patenkind unterwegs, dem Sohn der Witwe Ross.«
    Méndez wusste auch nicht, dass Miralles ein Patenkind hatte, aber er nickte. »Wissen Sie, wo die beiden hingegangen sind?«
    »Da ist eine Schneiderei in der Avinguda del Parallel. Die Straße hinunter und gleich um die Ecke, Sie können es nicht verfehlen.«
    »Danke.«
    Abgesehen von Namen und Wohnsitz wusste Méndez von Miralles lediglich, dass man sein drei Jahre altes Kind bei einem Überfall getötet hatte und dass er sich jetzt, nach ewigen Zeiten, an einem der Täter gerächt hatte. Um das in Erfahrung zu bringen, hatte es nur der Erinnerung der Nachbarn an ein Begräbnis mit einem weißen Sarg bedurft. Und eines Namens auf einem Grabstein.
    In einem Verbrechen zu ermitteln muss ja auch nicht unbedingt die komplizierteste Sache der Welt sein.
    Auch nicht die einfachste, natürlich, denn es konnten andere Verdächtige auftauchen und plötzlich war alles anders. Méndez zuckte mit den Achseln und ging die Straße hinunter zur Avinguda del Parallel, auf der zu seiner Zeit noch Frauen mit hochhackigen Schuhen entlangstolziert waren und die jetzt voller Busse mit Rentnern und jungen Mädchen mit bauchnabelfreien T-Shirts war. Méndez war es ein Rätsel, welche Erregung ein Bauchnabel hervorrufen konnte. Aber er dachte auch nicht weiter darüber nach.
    Er bog nach rechts ab.
    Da war die Schneiderei.
    Ein bescheidener Laden mit einem einzigen Schaufenster, einer einzigen Puppe und einem einzigen Kunden, bei dem es sich um niemand anderen als um Miralles handeln konnte. Er war kein junger Mann mehr – natürlich nicht –, aber er war beweglich und kräftig wie ein Kerl, der sein Leben lang trainiert hat. An seiner Seite ein Knirps, der nach Méndez’ Einschätzung ungefähr drei Jahre alt sein dürfte. Miralles kaufte ihm gerade eine komplette Ausstattung an Kinderkleidung. Hin und wieder strich er ihm über den Kopf.
    Méndez hatte plötzlich einen seiner Geistesblitze.
    Verdammt, sagte er sich. Kein Mensch verhaftet einen Kerl, der gerade einem Kind etwas zum Anziehen kauft. Also suchte er das Weite, um die Dinge nicht unnötig kompliziert zu machen. Ausgerechnet in diesem Moment klingelte das Handy. Méndez dachte: Mist.
    Dieser moderne Kram, das ganze Technikarsenal war ihm zuwider. Der Moment wird kommen, in dem die Kriminaltechnik unerträglich geworden ist, aber ohne ihn. Mit dem Handy hatte er schon mehr als genug zu tun. Aber als er die Nummer sah, ging er sofort ran. Der Herr Hauptkommissar wollte wissen, ob er inzwischen schon mit Madame Ruth gesprochen hatte.
    »Noch nicht. Ich habe lediglich ein paar, allerdings sehr intensive Vorermittlungen angestellt.«
    »Dann beeilen Sie sich, sonst ist es zu spät. Sie wird bald sterben.«
    »Wer hat Ihnen das gesagt?«
    »Ihr Arzt. Und er hat mir noch etwas gesagt: Sie hat versucht, ihn zu einer Straftat anzustiften.«

10
    Ich kann mich noch sehr genau an das Haus erinnern, in dem ich angefangen habe, mit den Mädchen mein Geld zu verdienen. Es lag in der Francia Chica, wie sie heute heißt, es ging nach Westen hinaus, wie das jetzige Haus auch. Das heißt, die Abendsonne legte sich träge auf die Fenster und wollte nicht weichen, sie ließ die Polster verbleichen, schluckte die Farbe aus den Vorhängen, und löschte die Bilder aus, die
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