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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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Haut.
    Und die Stimme der alten Madame Ruth, die Stimme, die die Mädchen gerufen hatte, die Stimme früherer Abende.
    »Wie schön, dass du gekommen bist, Süßer.«
    Und die Berührung einer Waffe. Verdammt, sie muss die Waffe von David Miralles vom Boden aufgehoben haben. Der Lauf bewegte sich. Und Erasmus’ Stimme, die das einzige Gebet sprach, das er kennt:
    »Miststück.«
    Der Lauf drückte in seinen Unterleib. Genau da. Und Erasmus bringt ihn noch besser in Position, als er versucht, den Rollstuhl wegzuschieben.
    Und Ruths ruhige Stimme:
    »Ich habe noch nie einen Freier getötet. Wie die Dinge doch manchmal so gehen.«
    Der Schuss.
    Der Unterleib.
    »Da, mein Freund: da, da, da …
    Nach dem ersten drei weitere Schüsse. Erasmus sinkt in sich zusammen. Die Kugeln reißen ein Loch, das größer ist als das einer kundigen Frau. Erasmus’ Hand wandert zu der schrecklichen Öffnung. Blut badet Blut.
    Da kommt Méndez herein und flutet den Raum mit Licht von draußen.
    »Wie schade«, sagte der alte Polizist. »Jetzt, da mein Rheuma kuriert ist, komme ich zu spät.«

45
    Durch die schlecht geschlossene Tür drangen die Geräusche des Viertels hinein.
    Zwei alte Unternehmer, die gemeinsam Toto spielen müssen. Eine Nachbarin, die sagt, ihre Rente reiche nicht aus. Ein Auto, das versucht, neben einer Katzenfamilie zu parken. Ein Mädchen – Miss Bauchnabel –, die über das Handy mit Gott spricht.
    Das Viertel.
    Eine Frau, die mit ihren knallengen Jeans zur Avinguda del Parallel hinuntergeht, um wenn schon nicht den Mann fürs Leben, dann einen Mann für den Abend zu finden. Das Geschrei von zwei Kindern, die der Großvater gerade aus der Schule abgeholt hat. Verdammte Kinder, dachte hinter seiner Theke der Vorruheständler. Früher gingen sie auf der anderen Seite der Stadt zur Schule und spielten mit einem Ball aus Lumpen, heute brauchen sie den Großvater sogar zum Hoseanziehen. Klar, wenn dem nicht so wäre, was würde der Großvater auch sonst machen? Ein Wagen der Barcelona Neta fuhr vorbei, der Fahrer fluchte erst auf die Kinder und dann auf den Bürgermeister.
    Das Viertel.
    Ein Araber entlud einen Lieferwagen.
    »Das ist einer von denen, die arbeiten«, meinte der Vorruheständler. »Vergessen Sie nicht, es gibt zwei Sorten von Arabern, Señor Méndez.«
    Und er fügte hinzu:
    »Ein Gläschen von dem ökologischen?«
    »Nein danke, mein Speichel ist noch grün. Geben Sie mir zwei Espresso und ich trage sie selbst zu dem ruhigen Tisch am Fenster.«
    »Zwei Espresso … Jetzt sagen Sie nicht, Sie machen eine Therapie, Señor Méndez.«
    »Wozu. Hat doch eh keinen Zweck mehr.«
    Méndez brachte die beiden Tassen zu dem Tisch am Fenster, der auf die Plaza hinaus ging. David Miralles nickte zum Dank.
    Miralles war sehr dünn.
    Sein Blick war abwesend. Er schaute nur auf die Kinder, die den Platz überqueren.
    »Miralles, heute ist Erasmus beerdigt worden.«
    »Ach ja?«
    »Er hatte so viel Blei intus, dass er mehr gewogen hat als sowieso schon. Sie haben ihn in ein Gemeinschaftsgrab gelegt, wo er bestimmt Omedes trifft. Ich war als Zeuge bei der ergreifenden Zeremonie.«
    Miralles nickte abwesend. Er schaute nicht einmal mehr die Kinder an, er schaute nirgendwohin.
    »Und die Alte?«
    »Madame Ruth? Sie stand neben sich mit all den Betäubungsmitteln, aber sie scheint wie neugeboren, seit sie Spaß am Abdrücken gefunden hat. Mal sehen, ob sie am Ende noch im Schießen an den Olympischen Spielen teilnimmt. Wissen Sie schon, dass man sie des Mordes angeklagt hat? Aber natürlich ist sie auf Kaution frei. Ihr Anwalt sagt, es wird ihr nichts passieren.«
    »Ihr Anwalt?«
    »Ja, er heißt Escolano. Ich habe ihn persönlich ausgewählt, aber er will kein Honorar. Er sagt, jetzt könne er endlich mal etwas verteidigen, das es wert ist.«
    David Miralles trank einen Schluck, sein Blick weiterhin abwesend. Er sah nicht einmal die Tasse an. Méndez flüsterte:
    »Miralles, ich muss dir etwas gestehen.«
    »Was?«
    »Ich bin ein Mistkerl.«
    »Ich weiß.«
    »Ich bin ein solcher Mistkerl, dass ich deine Wohnung gefilzt habe. Mehr als einmal. Ohne Durchsuchungsbefehl. Ich habe immer wieder alles an seinen Platz gelegt, damit es nicht auffällt.«
    »Aber ich habe es gemerkt, Méndez. Sie werden langsam alt.«
    »Das geht uns allen so, Miralles. Du kennst nicht einmal deine eigene Wohnung. Du weißt nicht, mit wem du zusammengelebt hast.«
    Miralles schloss die Augen. Plötzlich war da nichts mehr. Nichts.
    Méndez
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