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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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zerfetzt. Mit den anderen drei konnte man den nächsten Job erledigen.
    Denn da war noch ein zweiter Mann. Die nächste Aufgabe.

8
    Es war dieser andere, der anrief. Aber das konnte der Anwalt Escolano im Büro von »Ramírez und Escolano, Anwälte für Scheidungs- und Familienrecht« nicht wissen, als das Telefon schrillte.
    Escolano ging quer durch das Büro vorbei an dem Sitzungstisch, an dem schon lange keine Sitzung mehr stattgefunden hatte. Er überlegte, wie groß die Chance war, dass mit diesem Anruf ein neuer Auftrag ins Haus flatterte. Praktisch gleich null, dachte er. Seit zwei Monaten riefen die Gerichte oder ehemalige Klienten ihn nur noch wegen irgendwelcher Lappalien an, weil sie nicht durchblickten. Das war aber noch nicht mal das Schlimmste. Manchmal rief man ihn auch an, um ihn daran zu erinnern, dass er das Darlehen vom letzten Jahr oder die Miete für das Büro noch nicht bezahlt hatte oder alte Mietschulden, die immer weiter anwuchsen. Höchstens jedoch wurde ihm ein schlecht bezahltes Mandat angeboten, wenn er mal wieder als Pflichtverteidiger an der Reihe war. Von neuen Mandanten keine Spur. Und das bei den vielen Familienstreitigkeiten und der Menge an Leuten, die sich scheiden ließen. Aber die schnappten ihm offenbar andere weg.
    Das Sitzungszimmer war schon alt und kaum benutzt, das Büro erst recht. Sein Vater hatte es zu einer Zeit erworben, als es noch sehr formell zuging und die Anwälte schwarze Krawatten trugen, und es war das Einzige, was Escolano, dem Rechtsanwaltssohn, von seinem Vater geblieben war. Das, ein paar Schulden – ein Anwalt mit schwarzer Krawatte muss schließlich etwas darstellen und das kostet – und Erfahrung in Sachen Trennung und Scheidung, denn sein Vater hatte das selbst hinter sich.
    Und der Sohn trat, Gott sei es geklagt, in die Fußstapfen seines Vaters. Getrennt von seiner Frau, weil er ihre hohen Erwartungen nicht erfüllen konnte, war Escolano Experte in Sachen Diskussionen, Streit um die Kinder, das Geld, die Wohnung. Weil du mich im Bett nicht befriedigst, weil du die arme Mama beleidigt hast, dabei habe ich so an dich geglaubt und du hast dich als niemand, oder besser gesagt, als Arschloch entpuppt. Escolano und sein Büro waren Experten in Sachen Beschimpfungen und Klagen, doch trotzdem wollten sich die neuen Mandanten, die es gewohnt waren zu schimpfen und zu heulen, partout nicht einfinden. Blieb nur noch der Suff, dachte Escolano junior manchmal. Doch selbst die Spirituosen hätte er anschreiben lassen müssen.
    Das Telefon hatte fünfmal geläutet, als er schließlich abnahm.
    »Kanzlei Ramírez y Escolano, was kann ich für Sie tun?«
    Eine raue Stimme fragte: »Sind Sie Señor Escolano oder Señor Ramírez?«
    »Señor Escolano. Señor Ramírez ist vor einigen Monaten verstorben, die Kanzlei trägt aus Pietätsgründen weiterhin seinen Namen.«
    »Sind Sie der Vater oder der Sohn? Ich vermute, der Sohn, der Vater muss schon ziemlich alt sein.«
    Also wieder kein Fall, dachte der Anwalt. Oder höchstens so ein Mist mit einer alten Forderung.
    »Ich bin der Sohn«, murmelte er. »Mein Vater ist schon vor Jahren verstorben, und ich habe die Kanzlei übernommen. Mit wem spreche ich bitte?«
    »Mit Erasmus.«
    »Bedaure, der Name sagt mir nichts.«
    »Das verstehe ich«, räumte die raue Stimme ein. Sie klang wie die Stimme eines einfachen Menschen, man merkte, dass dem Mann kultivierte Konversation fremd war. »Außerdem hat der Name es in sich, nicht wahr? Aber Ihr Vater hat ihn mir gegeben. Er sagte, ich sei sehr schlau, so schlau wie … Also Ihr Vater war ein Bewunderer von Erasmus von … von …
    »Von Rotterdam.«
    »Genau. Jeder hat so seine Liebhabereien.«
    Der Unterton bei den letzten Worten war eindeutig spöttisch. Escolano merkte, wie dieser Erasmus sich über die Lesegewohnheiten seines Vaters lustig machte. Eigentlich hätte er auflegen sollen, doch er fragte geduldig: »Nun gut … Warum rufen Sie an?«
    »Ich weiß nicht, ob ich mit Ihnen sprechen sollte, Sie sind nicht Ihr Vater. Mit Ihrem Vater habe ich über alles gesprochen, wie ich schon sagte, er hat mir sogar meinen Namen gegeben. Aber wie ich sehe, sagt Ihnen das alles nichts.«
    »So ad hoc nicht. Aber ich führe die Kanzlei meines Vaters, wenn es sich also um eine alte Sache handelt, kann ich Ihnen vielleicht helfen … fachlich. Wir würden Zeit sparen, wenn Sie so freundlich wären, mir zu sagen, was Sie wollen und warum Sie anrufen.«
    »Ich gehe davon aus«, fuhr
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