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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten
Autoren: Veit Heinichen
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Alter sich um eine taubstumme Russin kümmern? Hatte er doch vor langem, nach dem Tod seiner Frau, die er über Jahre gepflegt hatte, beschlossen, daß der Rest des Lebens alleine ihm gehören sollte. Doch dann kam der Hund. Und nach dem Hund plötzlich Irina. Warum hatte sie ausgerechnet ihm diese Dokumente zugespielt und dazu einen Koffer voll Geld?
    Galvano fuhr so abrupt aus dem Schlaf hoch, daß der Hund erschrak und mit einem für sein Alter viel zu hellen Bellen aufsprang. Der alte Mann stand auf und rieb sich den Nacken. Was waren das für Geräusche, die aus der Küche kamen? Und dann der Geruch von Kaffee. Jetzt erinnerte er sich wieder und warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz vor fünf.
    Galvano stand vor dem Spiegel, strich mit der Hand über die weißen Bartstoppeln auf seinen grauen Wangen und betrachtete sein zerknittertes Hemd. Später würde er sich umziehen. Der Carabiniere brachte Kaffee. Bald war es soweit.
    *
    Laurenti staunte, als er seinen Wagen sah. Auf Türen, Motorhaube und Kofferraum des blauen Alfa Romeos prangten postkartengroße Aufkleber mit dem Symbol dieser anarchistischen Tierschützer. Selbst ihn verschonte man nicht. Was hatte ausgerechnet er mit den Viehtransporten zu tun? Schimpfend setzte er sich hinter das Steuer, schaltete das Funkgerät ein und fuhr los. Ein erster Silberstreif im Osten kündigte den frühen Tag an. Schwere graue Wolken waren aufgezogen, und ein noch flauer Scirocco trieb das Meer sanft gegen die Stadt. Vielleicht würde es heute endlich regnen.
    Aus dem Lautsprecher kamen die laufenden Durchsagen. Es standen genügend Leute bereit, um den alten Hafen komplett abzuriegeln. Auf der Piazza Libertà stand ein Kontrollposten und überprüfte jedes Auto. Desgleichen am Campo Marzio und anderen Verkehrsknotenpunkten. Außerdem hatte man soeben eine alte Frau in einem schwarzen Overall festgenommen, die Aufkleber auf einem Dienstwagen angebracht hatte. Sie verweigerte jede Auskunft, sogar ihren Namen behielt sie eisern für sich. Es folgte die Personenbeschreibung: Ein Meter fünfundfünfzig groß, Adlernase, weißes Haar, gepflegtes Auftreten, Alter Mitte Siebzig. Die Taschen ihres Overalls steckten voller Aufkleber, wie man sie bereits auf allen Wagen vor der Questura gefunden hatte, auch auf jenen der Carabinieri in der Via dell’Istria, der Guardia di Finanza beim kleinen Leuchtturm, den Dienstwagen von Kommune und Regionsregierung. Und fast alle Schaufenster in der Innenstadt waren mit dieser bewaffneten Kuh vollgeklebt. Laurenti schaltete sich zu.
    »Sie können auch meinen Wagen in die Liste aufnehmen. Wer ist diese Frau?«
    »Sie ist auf dem Weg in die Questura. Sie besteht darauf, mit Ihnen zu sprechen, Commissario. Mit Ihnen ganz allein.«
    »Da kann sie lange warten«, schnaubte Laurenti, dem plötzlich ein äußerst unangenehmer Verdacht kam.
    Während der nächtlichen Sitzung hatten sie verabredet, die Einsatzzentrale im Büro von Ettore Orlando aufzuschlagen. Das Gebäude der Guardia Costiera am Eingang des Porto vecchio lag strategisch gesehen ideal. Von dort wären sie blitzschnell am Molo 0, über Land und über Wasser. Laurenti parkte seinen Wagen ein paar Meter weiter auf den Rive. Er wollte schnell reagieren können, wenn es darauf ankam, und nicht erst warten müssen, bis die Fahrer der Wagen, die nach ihm eintreffen würden, den Weg freigaben. Zweimal lief er um den Alfa Romeo. Die Aufkleber saßen penibel genau in der Mitte der Türen, wie der Sheriffstern in amerikanischen Filmen.
    Er drehte sich noch einmal um, bevor er zu Orlando hineinging. Beim Molo Audace sah er Galvano mit seinem schwarzen Hund. Der Mann, der ihn begleitete, trug einen Aktenkoffer und eine Dokumentenmappe. Dann fuhren auch andere Wagen vor. Alle waren mit Aufklebern gespickt, Dienstwagen wie Zivilfahrzeuge. Allerdings nicht so ordentlich wie sein Alfa Romeo.
    »Kaffee?« fragte Orlando. Er hatte sich gerade ein frisches Hemd angezogen und knöpfte es zu. Das alte hing zerknittert über der Lehne seines Schreibtischstuhls. »Wir haben noch zwanzig Minuten Zeit, bevor es losgeht.« Er drückte einen Knopf an seinem Telefon, und kurz darauf kam ein Rekrut in Uniform mit einem Tablett herein.
    »Stehen deine Boote bereit?« fragte Laurenti.
    »Die und ein Hubschrauber. Wenn wir sie hier nicht brauchen, dann woanders. Glaub bloß nicht, daß dies unser einziger Einsatz ist heute morgen.« Orlando verzog das Gesicht.
    »Was noch?«
    »Es ist streng geheim. Ein kleiner
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