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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten
Autoren: Veit Heinichen
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Hafen zwischen Triest und Monfalcone. Aber heute hast du ja Gott sei Dank keine Zeit für Tauchausflüge.«
    »Du willst doch nicht etwa sagen, daß...« Laurenti saß kerzengerade.
    Die Tür wurde geöffnet, und Orlando legte den Finger an den Mund. Galvano und sein Aufpasser wurden von Canovella hereingebracht. Hinter ihnen traten Sgubin und Pina ins Zimmer.
    »In fünf Minuten gehen Sie los«, sagte Laurenti zu Galvano und streichelte dem schwarzen Hund den Kopf, der ihm dafür die Hand leckte. »Sgubin, sind alle auf ihrem Posten?«
    Sein Ex-Assistent in spe warf einen kurzen Blick zu Orlando, dann legte er los: »Alle. Bis auf den Speicher am Molo 0, der voller Kühe ist, haben wir das ganze Gelände unter Kontrolle. Zwei kleine Boote der Polizia Marittima liegen hinter der Diga Vecchia, größere könnte man zu leicht von der anderen Seite sehen.«
    »Die haben wir hier«, brummte Orlando und zeigte auf den Anleger unterhalb seines Büros, wo die Schiffe der Guardia Costiera im Standgas tuckerten.
    Ein Techniker heftete ein Mikrofon an das Revers von Galvanos Jackett und machte eine Sprechprobe. »Auf der Diga Vecchia steht eine Filmkamera. Sie erfaßt das ganze Gebiet an der Viehverladung und wird mit einer Fernbedienung ausgelöst. Sie überträgt die Bilder auf diesen Monitor. Ich habe sie heute nacht installiert.« Der Mann zeigte auf den Kasten, den er auf Orlandos Schreibtisch gestellt hatte, und schaltete ihn ein. Auf einem dunklen Bild sahen sie die Umrisse des libanesischen Kuhfrachters und das ganze Hafenbecken vor dem Speicher. Nichts bewegte sich, außer den Wellen, die sanft gegen die Mole schwappten.
    »Es klart jetzt ziemlich schnell auf«, sagte der Techniker. »Das Bild wird bald besser.«
    »Ihr Einsatz, Doc«, sagte Laurenti. »Es wird Zeit, daß Sie losgehen.«
    »Hier, nehmen Sie diese Pistole.« Sgubin reichte Galvano eine Waffe, doch der schüttelte nur den Kopf.
    »Ich habe mein ganzes Leben lang keinen einzigen Schuß abgegeben. Nicht einmal im Krieg.«
    »Es ist besser, wenn Sie den Hund hierlassen, Galvano«, sagte Laurenti. »Man weiß nie.«
    Der Alte fuhr auf. »Auf gar keinen Fall. Das ist mein Hund, und er wird mich begleiten.«
    Laurenti schaute auf die Uhr. »Dann los. Viel Glück, Doc, und passen Sie auf sich auf.«
    »Deine Ratschläge kannst du für dich behalten«, raunzte Galvano, als er das Büro verließ. Er war sichtlich nervös.
    Sie schauten ihm aus dem Fenster nach. Der alte Mann trug den Koffer in der rechten Hand, die Dokumente und die Leine seines schwarzen Gefährten hielt er mit der linken. Unsicher stakste er über die groben, alten Pflastersteine, die den Fahrweg zwischen den Speichern bildeten. Die schweren Lastfahrzeuge hatten sie an manchen Stellen aufgeworfen. Galvano stolperte zweimal, dann beschleunigte er seinen Schritt und war schließlich nicht mehr zu sehen.
    »Komm mit«, sagte Laurenti zu Pina.
    Ohne weitere Erklärungen liefen die beiden die Treppen hinunter und auf das Hafengelände. Laurenti und Pina übernahmen die Vorderseite der Speichergebäude und hielten sich eng an der Fassade. Galvano ging auf der Rückseite. Am Molo 2 duckte Laurenti sich hinter einen Stapel aus Stahlrohren. Von hier aus hatten er und die neue Assistentin Blick auf das Heck des Frachters und einen Ausschnitt des Speichers. Näher durften sie sich nicht heranwagen.
    Galvano blickte sich unsicher um. Er stand vor der Ladeluke des libanesischen Frachters inmitten eines Pferchs, durch den das Vieh auf das Schiff gelenkt werden sollte. Es war zwei Minuten vor halb sechs. Er war aufgeregt, fühlte sich von der Welt verlassen und spürte den Schweiß, der ihm in Bächen herunterlief. Er stellte den Koffer ab, legte die Hundeleine und die Dokumentenmappe darauf, und zog sein Jackett aus. Noch nie hatte er auf sein Jackett verzichtet, nicht einmal im Sommer, und an diesem Morgen war es kühler als in den letzten Wochen. Schwere Wolken waren aufgezogen und der Scirocco hatte an Stärke gewonnen. Galvano nahm seine Sachen wieder auf. Gerade als er erneut einen Blick auf seine Uhr warf, hörte er plötzlich das aufgeregte Brüllen der Rinder.
    Die Tür zum Speicher wurde aufgestoßen. Die ersten Tiere staksten unsicher heraus und suchten Orientierung. Die nachschiebende Herde brachte sie in Bewegung. Laut muhend galoppierten sie zwischen den um das Hafenbecken aufgestellten Gattern zum Schiff, die Schädel gesenkt wie beim Stierkampftreiben in Pamplona. Galvano stand wie
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