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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten
Autoren: Veit Heinichen
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Hintern und fühlte einen Stapel Aufkleber, der ein wenig aus der Hosentasche herausstand. Schnell stopfte er ihn zurück.
    »Werbung.«
    »Von der EU?« Laurenti hatte nur den blauen Rand mit ein paar gelben Sternen gesehen. Er legte denKopf auf seinen Unterarm und dachte an einen großen Teller mit dampfender Pasta – und an ein weiches Bett.
    *
    Als Branka ins Zimmer kam und sie weckte, ging Irina ohne Argwohn mit ihr mit. Sie hatte keine Angst vor ihrer Befreierin und ahnte nicht, daß sie ihre Geisel war. Vor dem Haus stand ein weißer Fiat Uno. Branka fuhr Richtung Barcola und bog an der Piazza Kennedy in einen Weg zum Meer ab, an dessen Ende das Gelände des Clubs der Schlauchbootfahrer lag. Branka war vor einer Stunde schon einmal hiergewesen und hatte alles vorbereitet. Ihre Flucht war sorgfältig organisiert.
    Das Motorrad stand im Industriegebiet am Ende des Canale Navigabile. Von dort war es nicht mehr weit ins Val Rosandra, und zum zweiten Mal in wenigen Tagen würde sie über den Wanderweg auf die andere Seite der Grenze entkommen.
    Branka hatte das Gefährt an der Mole abgestellt und den Zündschlüssel unter dem Schutzblech des Hinterrads versteckt. Nachts war hier nichts los. Höchstens ein Paar, das kein Bett zu Hause hatte, verirrte sich im Auto in diese Ecke. Branka war ein paar Schritte weitergegangen und hatte versucht, ein Taxi zu rufen. Doch als sie ihren Standort nannte, hieß es, sie könne dort lange warten. Kein Fahrer fuhr diese Zone mehr an, seitdem dort vor kurzem ein Kollege umgebracht worden war. Branka mußte bis zur Hauptstraße nach Muggia weitergehen. Ein Glück, daß sie den weißen Fiat bald entdeckte. Ein so altes Modell war leicht kurzzuschließen, keine Wegfahrsperre, keine Alarmanlage. Nur daß sie tanken mußte, ärgerte Branka. Es kostete sie viel Zeit, bis sie endlich eine Münztankstelle fand. Als sie danach über die Rive fuhr, sah sie eine Menge Streifenwagen auf der Piazza Venezia und in den angrenzenden Straßen. Ganz in der Nähe wohnte dieser alte Mann, der noch nichts ahnte.
    Sie gab Irina ein Zeichen. Sie schoben das Boot ins Wasser, das Branka eine Stunde zuvor ausgesucht hatte. Irina lachte, als sie einstieg. Wohin diese Frau sie wohl brachte?
    Die Fahrt war kurz. Der Molo 0 lag am äußersten Ende des riesigen Geländes, das der denkmalgeschützte Porto vecchio einnahm. In dieser dunklen Ecke hatte man die Viehverladung in den Nahen Osten untergebracht. Das Boot war kaum zu hören. Branka beschleunigte nur einmal, stellte dann den Motor wieder ab und ließ das Boot bis hinter den libanesischen Frachter am Molo 0 gleiten, unter dessen Bug sie festmachten und nun kaum zu entdecken waren. Irina schaute sie fragend an. Branka machte ein Zeichen, daß sie sich hinlegen und schlafen sollte. Sie zog eine Persenning über das Mädchen. Dann ging sie an Land und lief fast lautlos zu dem Speicher, in dem die Rinder auf den Antritt ihrer letzten Reise warteten.
    *
    Der Koffer mit dem Geld stand auf einer Kommode im Flur bereit. Die Mappe mit den Dokumenten lag daneben. Wo war Irina? Laurenti hatte ihn darüber informiert, daß die Polizei die Übersetzerin alleine zu Hause vorgefunden hatte.
    Die ganze Nacht über war Doktor Oreste John Achille Galvano in seiner Wohnung auf- und abgegangen oder hatte im Dunkeln am geöffneten Fenster gestanden und auf die Straße hinuntergespäht. Zwei der grünmetallen glänzenden Packungen Mentholzigaretten hatte er verpafft und der Rauch stand in dicken Schwaden im Wohnzimmer. Er hatte Canovellas Mann trotz dessen Protests ins Gästezimmer verbannt. Galvano mußte nachdenken, und dazu wollte er alleine sein.
    Nicht einmal gegessen hatte er. Der dritte Abend in Folge, daß sein Tisch im »Nastro Azzurro« verwaist blieb. Man würde sich bereits Gedanken über seinen Beerdigungstermin machen. Der Kühlschrank war leer, doch er war ohnehin zu nervös, um etwas anderes zu sich zu nehmen als Whisky und Wein.
    Irgendwann zwangen ihn Erschöpfung und Alkohol in einen Sessel. Der Hund, der bisher mit unruhigen Blicken seine Wege durch den Raum verfolgt hatte, ließ sich zu seinen Füßen niederfallen, grunzte erlöst und schnarchte nun in tiefen, regelmäßigen Atemzügen. Wie Galvano, dessen Kopf mit den durch die Müdigkeit fahlen Gesichtszügen tief in den Nacken gesunken war. Durch den halbgeöffneten Mund sog er geräuschvoll die Luft ein. Wirre Träume ließen ihn manchmal heftig zusammenzucken.
    Warum mußte ausgerechnet er in seinem
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