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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten
Autoren: Veit Heinichen
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Dann ließ er die Scheibe herunter.
    Ein uniformierter Beamter bückte sich zum Fenster. »Den Ausweis der jungen Dame, bitte.«
    Mia kramte nervös in ihrer Handtasche und reichte ihren australischen Reisepaß dem Fahrer, der ihn weitergab.
    »Wohin?« fragte der Polizist.
    »Zum Flughafen«, antwortete der Taxifahrer und nahm den Paß entgegen, den der Mann ihm nach einem flüchtigen Blick zurückgab.
    »Gute Reise.« Der Polizist winkte sie durch.
    »Da haben Sie aber mächtig Glück gehabt«, scherzte der Fahrer und starrte Mia im Rückspiegel an.
    »Das können Sie laut sagen«, sagte Mia und lächelte erleichtert.
    *
    Laurenti war auf einen Sprung nach Hause gefahren. Nach der Festnahme der beiden Glatzköpfe, die nun von den Carabinieri durch die Mangel gedreht wurden, hatte er eine Sitzung mit Canovella, zwei seiner Beamten, mit Sgubin, Pina, Marietta, dem Leiter des Schichtdienstes, Ettore Orlando von der Küstenwache und Staatsanwalt Scoglio im Sitzungssaal der Questura abgehalten. Nun blieben ihm fast drei Stunden bis zu dem Termin, an dem Galvano die Dokumente und das Geld gegen die junge Taubstumme austauschen sollte. Die Übersetzerin war rasch und mit einem riesigen Aufgebot an Männern befreit worden, nachdem man den Anruf bei Galvano zurückverfolgt hatte. Sie hatte geknebelt und an einen Stuhl gefesselt in der dunklen Küche ihrer Wohnung gesessen. Trotz ihres fragilen Nervenkostüms gab sie eine präzise Personenbeschreibung zu Protokoll. Als die Übersetzerin erzählte, daß die Gesuchte angeblich dem Geheimdienst angehörte, stieß Laurenti einen so derben Fluch aus, daß sie schon wieder vor Schreck zusammenfuhr. Er entschuldigte sich halbherzig. Seit einer Woche kreuzten diese Wichtigtuer mit den Sonderausweisen seinen Weg. Was hatten diese Vollidioten bei der Übergabe einer versklavten, taubstummen Russin gegen Dokumente, von denen Galvano behauptet hatte, sie wären so brisant, daß einige Leute dafür viel riskieren würden, zu schaffen? Wenigstens wußten sie, wie die Frau aussah, in deren Gewalt sich Irina befand. Aber konnte man der Übersetzerin trauen? Laurenti war sich nicht restlos sicher. Wenig später wurde die Lage noch undurchsichtiger, weil die Zentrale der Schattenmänner in Rom telefonisch jegliche Beteiligung an dem Vorfall vehement abstritt.
    Und Galvano: Als er die Tür geöffnet und zu seinem Entsetzen Laurenti gesehen hatte, schmiß er sie sofort wiederins Schloß und hätte dabei fast seinem schwarzen Hund, der Laurenti freudig begrüßen wollte, den Kopf zerschmettert.
    »Machen Sie auf, Galvano«, rief Laurenti durch die Tür hindurch. »Stellen Sie sich nicht so an.«
    Es dauerte einen Augenblick, bis wieder Schritte im Flur vernehmbar wurden. Der Carabiniere in Zivil öffnete und stellte sich breitbeinig und mit verschränkten Armen in die Tür. »Ich soll Sie auf keinen Fall reinlassen«, sagte er mit gespieltem Ernst, trat dann aber sofort zur Seite.
    Canovella traf kurz nach Laurenti ein und mußte eine heftige Schimpfkanonade über sich ergehen lassen. Galvano spuckte vor Wut und verwendete Wörter wie Verrat und Betrug, später beruhigte er sich dann und wurde sachlich. So sachlich, daß fast nichts mehr aus ihm herauszubekommen war. Sie einigten sich darauf, ihn erst kurz vor seinem Einsatz zu instruieren, und ließen den Carabiniere zur Sicherheit bei dem Alten zurück.
    Um halb drei kam Laurenti aus der Dusche und ging in die Küche. Er hatte einen Bärenhunger und wäre selbst über kalte Čevapćići hergefallen. Im Kühlschrank waren keine Reste zu finden. Er setzte Wasser auf und zog eine Packung Spaghetti aus dem Vorratsschrank.
    »Hast du Hunger?« fragte Marco, der eine Viertelstunde nach ihm nach Hause gekommen war und seinen Vater in der Küche hantieren sah.
    »Ich habe den ganzen Tag nichts gegessen«, sagte Laurenti und nahm ein paar Tomaten. »Was macht dein Auge?«
    »Hast du Streß?«
    »Und wie. Ich muß gleich wieder los.«
    »Setz dich hin und ruh dich ein bißchen aus. Ich mach dir was zu essen«, sagte Marco und schob ihn von der Anrichte weg. »Spaghetti mit Tomaten, Basilikum und Peperoncino?« Er wußte, daß dies das Lieblingsgericht seines Vaters war, wenn der Streß ihn erdrückte.
    Laurenti ließ sich auf einen Stuhl fallen und goß sich ein halbes Glas Weißwein mit viel Wasser ein. »Wo kommst du her?« fragte er.
    »Ich war mit Freunden unterwegs.«
    »Und was hast du in der Tasche?« fragte Laurenti.
    Marco faßte sich an den
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