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Der Tod kommt in schwarz-lila

Titel: Der Tod kommt in schwarz-lila
Autoren: Ulrich Hefne
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direkt vor ihm. Er keuchte vor Anstrengung, nachdem er Terberges Körper den ganzen langen Weg auf seinem Rücken getragen hatte.
    Terberges ängstliche Augen flogen aufgeregt hin und her. Das silbrige Mondlicht ließ die Dünenlandschaft kalt und unwirtlich erscheinen. Doch der Doktor hatte keinen Blick dafür. Die Angst schnürte seine Kehle zu. Noch wusste er nicht, wer die dunkle Gestalt mit dem grimmigen und entschlossenen Gesicht war. Zwar kamen ihm die Züge vertraut vor, doch der dazugehörige Name fiel ihm einfach nicht ein. Dieser Gedanke war die einzige Ablenkung, die es für ihn noch gab. Ansonsten hätte er am liebsten geweint und sich seine Angst aus dem Leib geschrien.
    Sörensen drehte Terberges Körper auf den Rücken, hob dessen Kopf und schaufelte Sand darunter. So lange, bis Terberge wie auf einem Kopfkissen gebettet lag. Terberges Blick heftete sich auf das schemenhafte Holzkreuz, das sich wie ein Mahnmal von dem Silber der Mondnacht abhob.
    »Damit haben Sie nicht gerechnet, dass wir uns noch einmal wieder sehen«, flüsterte Sörensen dem Doktor zu. Der Doktor blickte ihm ängstlich in das dunkle Gesicht.
    »Ich habe es lange ertragen. Ich habe gelernt. Ich schwieg. Ich habe das dunkle Tal durchwandert und auf den Herrn vertraut. Wir wollen den Rest dieser Stunde im Gebet verbringen. Sie sollten den Schöpfer um Verzeihung für Ihre Sünden bitten. Es wird Ihnen helfen, denn bald treten wir gemeinsam vor das höchste Gericht.«
    Terberge wollte schreien. Wollte gegen den ganzen Wahnsinn in dieser tonlosen und grausamen Stimme anschreien. Doch es gelang ihm nicht. Der Schrei verfing sich in dem künstlichen Gewebe des Klebebandes und wurde zu einem leisen Wimmern.
    *
    Joost hatte das Schlauchboot hervorgeholt und fuhr zielsicher durch die Dunkelheit. Der Elektromotor schnurrte leise und gleichmäßig. In ausreichender Entfernung schaltete Joost den Motor ab. Den Rest des Weges ruderten sie. Mehr als einmal blieb Trevisan mit dem Ruder im Schlickboden hängen. Die Wassertiefe betrug keinen Meter mehr. An einer kleinen Landzunge legte Joost an und ließ Trevisan an Land. Er wies ihm den Weg hinüber in die Ostdünen.
    »Sie bleiben hier!«, sagte Trevisan eindringlich. »Kommen Sie mir um Gottes Willen nicht nach. Wenn ich nach einer Stunde nicht zurück bin, dann gehen Sie ins Dorf und holen die Polizei. Versprechen Sie mir das?«
    Joost bestätigte mit einem kurzen »Ja«. Schon hetzte Trevisan über den ausgetretenen Weg dem östlichen Ufer der Insel entgegen. Mehr als einmal stolperte er in der fahlen Dunkelheit und stürzte in den feuchten Sand. Doch immer wieder raffte er sich auf. Ihm blieben nur wenige Minuten und ein ganzer Kilometer lag noch vor ihm. Er keuchte vor Anstrengung. Doch er biss die Zähne zusammen und hastete weiter. Das schummrige Mondlicht tauchte die Landschaft in ein fahles Grau. Die sandigen Hügel ließen sich nur erahnen.
    Dann kam er an eine Weggabelung. Suchend blickte er sich um. Die Dünenlandschaft hatte ihr Gesicht seit seinem letzten Besuch verändert. Dort, wo der Weg eine Biegung machen sollte, führte er heute geradeaus weiter.
    Osten, er musste doch einfach nur nach Osten gehen. Doch wo zum Teufel war nur dieser kleine Trampelpfad abgeblieben? Dort, wo er eigentlich sein musste, türmte sich der Sand in die Höhe. Trevisan fühlte sich wie in einem Labyrinth. Er blickte auf seine Uhr. Noch sieben Minuten bis Mitternacht. Sieben Minuten bis zum Tod. Würde er es noch rechtzeitig schaffen?
    Er erstieg den sandigen Hügel. Immer wieder rutschte der lose Sand herab. Mittlerweile spürte er die feinen Krümel überall in seiner Kleidung. Auf allen Vieren kroch er voran, bis er es endlich geschafft hatte. Vorsichtig richtete er sich auf. Die bleiche Mondsichel spiegelte sich auf dem Wasser wieder. Er hatte das nördliche Ende der Insel erreicht. Lautlos schlich er am Ufer entlang. Sein Gefühl sagte ihm, dass er auf dem richtigen Weg war. Das Holzkreuz war nicht mehr weit. Er fasste unter seine Jacke und zog seine Pistole aus dem Schulterhalfter. Als seine Finger den Abzug umschlossen, lief ein Schauer über seinen Rücken. Er hatte vor einem Monat zum letzten Mal damit geschossen. Auf Zielscheiben. Zweiundneunzig Ringe hatte er getroffen. Zweiundneunzig von hundert Möglichen. Er war ein guter Schütze. Doch auf einen Menschen anzulegen, auch wenn es ein Mörder war, das war etwas anderes als Übungsschüsse auf eine Ringscheibe. Bislang hatte er seine Pistole
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