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Der Tod kommt in schwarz-lila

Titel: Der Tod kommt in schwarz-lila
Autoren: Ulrich Hefne
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zu uns rüber«, erwiderte der Alte und wies mit ausgestrecktem Finger auf den großen runden Tisch neben dem Tresen.
    Trevisan nickte kurz, dann verschwand er durch die Nebentür. Ein Münzfernsprecher hing direkt neben dem Eingang zur Herrentoilette. Er kramte in seinem Geldbeutel nach Kleingeld. Dann nahm er den Hörer ab und wählte die Nummer seiner Dienststelle.
    Margot Martinson meldete sich sofort. »Gott sei Dank – ich versuche Sie schon seit ein paar Stunden zu erreichen.«
    »Ich dachte, Sie würden heute nach Hamburg zurückkehren?«, fragte Trevisan konsterniert.
    »Das hat noch Zeit. Sie glauben doch nicht, dass ich jetzt, wo es auf das Ende dieses Falles zugeht, einfach abreise.«
    »Dann wissen Sie es noch gar nicht?«
    »Was denn?«, fragte sie neugierig.
    »Ich habe versagt. Ich habe alles vermasselt«, berichtete er mutlos. »Er hat den Doktor in seiner Gewalt und ist uns einfach auf und davon gefahren. Hinaus auf die offene See. Bestimmt wartet er dort draußen ab, bis seine Zeit gekommen ist. Ich kann nur hoffen, dass wir Terberge noch einmal lebendig zu Gesicht bekommen.«
    Margot Martinson schwieg.
    »Seine Zeit ist bald gekommen«, antwortete sie schließlich.
    Trevisan stutzte.
    »Was heißt das?«
    »Ich habe mir das Gutachten von Doktor Terberge noch einmal genau durchgelesen. Er muss nicht bis Sonntag warten. In knapp zwei Stunden bricht der 15. Juli an. Terberge hat ihn damals am 15. Juli zu einem ersten Gespräch im Gefängnis besucht. Ich bin überzeugt davon, er wird den Doktor bereits morgen umbringen.«
    Ein lauter Seufzer kam über Trevisans Lippen. Schweiß brach aus seinen Poren und sein Magen krampfte sich zusammen. Er stützte sich an der kalkweißen Wand ab.
    »Trevisan, was ist mit Ihnen?«
    »… und ich werde an seinem Tod schuld sein«, erwiderte Trevisan mit brüchiger Stimme.
    »Noch lebt er, noch haben wir eine Chance«, sagte Margot Martinson aufmunternd.
    Trevisan griff in seine Tasche und warf eine weitere Münze ein. »Wir haben die Suche abgebrochen. Bei Nacht ist es unmöglich. Außerdem ist das Gebiet riesengroß. Er kann praktisch überall sein.«
    »Dennoch glaube ich nicht, dass er den Doktor einfach so umbringen wird. Der Tod Terberges soll ihn endgültig von aller Schuld reinigen. Es ist ein symbolischer Akt der Befreiung. Er wird es nicht in der Dunkelheit tun. Er wird es dort tun, wo das Licht für ihn leuchtet.«
    In Trevisans Gehirn keimte eine Ahnung auf. Noch war sie hinter all den nebelhaften Gedanken verborgen, doch langsam bahnte sie sich ihren Weg. »Sie haben recht. Sörensen wird Höhepunkt und die Krönung seiner Taten nicht im Stillen, weit entfernt von irgendeinem Bezugspunkt, ausführen. Er wird das Symbol ansteuern, das für ihn Sinnbild der gesamten Ungerechtigkeiten ist. Dort vollzieht er den finalen Akt.« An dem Ort, an dem alles begonnen hatte, dort sollte es auch enden. Der Wangerland-Mörder hatte sich nie wirklich von hier entfernt. Er hatte sich nur in einem großen Kreis bewegt.
    »Wo sind Sie jetzt?«, fragte Margot Martinson hastig.
    »Ich bin genau am richtigen Ort«, sagte Trevisan.
    »Dann bleiben Ihnen noch knapp zwei Stunden«, antwortete Martinson.
    Trevisan blickte auf die Uhr. Es war zwanzig nach zehn.
    *
    Die Motoryacht dümpelte im seichten Wasser der kleinen Bucht an der Ostküste von Wangerooge. In weniger als einer Stunde würde auch noch der letzte Rest des Wassers aus dem Becken laufen. Niedrigwasser. Ihm war es egal. Er war am Ziel. Er würde die Yacht nicht mehr brauchen. Auch der Silberfuchs hatte keine Verwendung mehr dafür.
    Es hatte ihn einige Anstrengungen gekostet, den Doktor an Land zu bringen. Terberge war wach. Das sollte er auch sein. Er sollte wissen, was mit ihm geschehen würde und er sollte auch den Grund dafür erfahren. Er würde es ihm schon erklären. Er hatte sich eigens für dieses Ereignis die schwarze Hose und die lila Jacke angezogen. In genau diesen Farben sollten sie ihn finden. Diese Farben hatten ihn seit dem Unfall ständig umgeben. Schwarz und lila. So hatte er gelebt, so hatte er geträumt und so würde er sterben. Aber zuvor galt es sein eigenes Blut von jeglichem Makel zu befreien. Träne für Träne, Blut für Blut.
    Er würde dem Silberfuchs die Luft nehmen, so wie er ihm die Luft zum Atmen genommen hatte. Jeden verdammten Tag in dieser kleinen grün getünchten Zelle, in der Einsamkeit und der Hilflosigkeit, jetzt würde er den Tribut dafür einfordern.
    Das Holzkreuz stand
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