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Der Tod kommt in schwarz-lila

Titel: Der Tod kommt in schwarz-lila
Autoren: Ulrich Hefne
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warten, bis endlich der 15. Juli anbrach. Das war sein Datum. Es war, als wäre es gestern gewesen. Vor elf Jahren hatte der Silberfuchs seine Zelle betreten und lange mit ihm geredet.
    Er hatte es damals genau gespürt: Dieser Mann mit den grauen Haaren, der zu ihm in sein Zimmer gekommen war, hatte die Macht, ein Urteil über ihn zu sprechen, und dieses Urteil war längst schon gefällt. Einen Tag später war er dann in die Hölle verlegt worden. Dort versuchten sie mit aller Macht, ihm die Seele aus dem Leib zu reißen. Anfangs hatte er sich gewehrt, hatte um sich geschlagen, getreten und gespuckt. Es hatte nichts genutzt. Sie sperrten ihn in den grünen Raum und spritzten ihm die Glückseligkeit in die Adern. Jeden Tag. Mehrmals. Er hatte lange gebraucht, bis er sie durchschaut hatte: Sie kamen zu ihm und sagten, dass sie ihm nur helfen wollten. Doch sie hatten gelogen und der Silberfuchs war der größte Lügner unter ihnen.
    Aber er hatte seine Strategien entwickelt. Er spielte ihr Spiel auf seine Art. Er machte es genauso wie sie. Er täuschte, er betrog, er log.
    Damit hatte er es geschafft. Er hatte in das andere Haus gedurft. Dort stand eine Kirche in der Nähe. Wann immer er konnte, hatte er sich Kraft von diesem heiligen Ort geholt, um die restliche Zeit überstehen zu können.
    Und jetzt gehörte der Silberfuchs ihm. Niemand durfte sich zwischen ihn und den verhassten Mann stellen. Ihr Auftauchen änderte nichts. Es bedeutete nur, dass er etwas früher zuschlagen musste als geplant.

 
     
37
    Der fahle Halbmond und die wenigen Laternen kämpften vergeblich gegen die Dunkelheit im Hafengelände an. Die Boote und Yachten schaukelten träge im trüben Wasser. Die beiden Leuchtfeuer an der Hafeneinfahrt waren außer Betrieb. Die Antje, Terberges Boot, nach seiner erstgeborenen Tochter benannt, lag in der Nähe der Hafeneinfahrt. Es war dunkel an Bord. Terberge schlief.
    Alex Uhlenbruch blickte angestrengt durch das Nachtsichtglas. Er hatte zusammen mit Tina Harloff auf der gegenüberliegenden Seite in einem kleinen Ruderboot Position bezogen. Sie lagen unter einer Plane und hüllten sich in ihre Schlafsäcke. Dennoch kroch die Kälte langsam an ihren Gliedern empor.
    »Hoffentlich wird es nicht noch kälter«, flüsterte Tina schlotternd.
    »Ich habe es dir gesagt. Die Nächte hier draußen können kalt und feucht werden, aber du wolltest ja nicht auf mich hören«, erwiderte Alex oberlehrerhaft.
    »Gibt es etwas dort drüben?«
    »Nein, er schläft friedlich in seiner Kajüte. Bislang hat sich noch niemand dem Boot genähert.«
    »Wie spät ist es?«
    »Es ist kurz nach zwei«, antwortete Alex, ohne den Blick von Terberges Boot abzuwenden.
    Die Sekunden zogen sich schier endlos hin. Nebel kam auf und züngelte über das Wasser.
    »Verdammt, dreihundertsechzig Tage ist es an dieser Küste windig und ausgerechnet heute weht kein Lüftchen. Nebel ist das Letzte, was wir jetzt brauchen können.« Tina schob sich näher an ihn heran.
    »Holla!« Alex feixte.
    »Bilde dir bloß nichts ein«, flüsterte sie. »Es ist nur die Kälte.«
    Er setzte das Nachtsichtglas ab und schaute sie lächelnd an. Das Licht der Laternen verzerrte seine Züge. Der Nebel wurde dichter.
    »Schlaf ein bisschen«, sagte er.
    »Bist du verrückt? Hier ist es so unheimlich. Ich mache bestimmt kein Auge zu.«
    Erneut spähte Alex durch das Nachtsichtglas hinüber auf die andere Seite. Plötzlich zuckte er zusammen. Er hatte einen schwachen Lichtimpuls wahrgenommen. Nicht weit entfernt vom Funkmast neben dem alten Bootssteg. »Es tut sich was. Da ist jemand«, flüsterte er erschrocken.
    »Wo?«
    »Neben dem Funkmast. Ich sah ein kurzes Aufleuchten.«
    Tina hob das Fernglas an die Augen. »Du hast recht«, bestätigte sie ängstlich.
    Zwei glühende Augen hatte sie an der angegeben Stelle ausgemacht. Orangerote Punkte. Wie die Augen des Teufels. Tina schlug das Herz bis zum Hals. »Ich glaube, ich dreh durch, das ist doch kein Mensch …«
    »Was soll es sonst sein? Werd jetzt bloß nicht hysterisch. Verdammt, das Boot verdeckt mir die Sicht«, fluchte Alex und griff zum Funkgerät.
    »Fürst, melde dich«, sagte er leise, während er die Sprechtaste betätigte.
    »Was ist bei euch los?«, drang es aus dem kleinen Lautsprecher in seinem Ohr. Es war Trevisans Stimme.
    Alex teilte seine Beobachtungen mit. Doch noch bevor Trevisan antworteten konnte, meldete sich Fürst zu Wort.
    »Unsere Position ist etwa vier Meter rechts vom Funkmast. Was
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