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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers
Autoren: Horst Biernath
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hat, auch ein Mensch mit Blut und Leidenschaft gewesen ist und daß ich aus solch einer Stunde stamme. Es war mir immer, als sei ich unter einem besonderen Stern geboren worden. Aber ich habe doch immer geglaubt, daß Stephan Textor —«, er sprach den Namen aus, als spräche er von einem fremden Menschen —, »mein Vater gewesen ist. Und nun muß ich das erfahren! Weshalb haben sie mir nichts gesagt?« Er rüttelte meinen Arm und war vor Erregung den Tränen nah.
    »Weshalb nicht? Ach, Alex, weil sie es sicherlich für unwichtig hielten — und weil es auch tatsächlich völlig unwichtig und belanglos war.«
    »Unwichtig und belanglos nennst du das?« rief er heftig.
    »Ja, für dich völlig unwichtig und belanglos«, wiederholte ich. »Wir kommen auf die Welt, ohne vorher gefragt zu werden, ob wir bereit sind, das Abenteuer des Lebens auf uns zu nehmen. Beim Eintritt in die Welt sind wir blind und haben auch kein Erinnerungsvermögen, ob der Mann, dem wir unsere Existenz verdanken, wirklich unser Vater, und die Frau, die uns gebiert, wirklich unsere Mutter ist. Das wissen wir nicht, sondern wir erfahren es, wenn unser Bewußtsein erwacht und aufnahmefähig wird. Es mag dir komisch klingen, aber im Grunde ist unsere Annahme, von einem bestimmten Elternpaar abzustammen, nur ein Akt des Glaubens. Wichtig aber und von entscheidender Bedeutung für das Leben ist, daß man in einem warmen Nest und in der festen Ordnung einer Familie aufwächst. Hast du die Nestwärme jemals in deinem Leben entbehren müssen?«
    Er warf mir von der Seite einen sehr mißtrauischen und vielleicht auch leicht gelangweilten Blick zu, aber er war zu höflich, um zu sagen, was er dachte: daß es angestaubte und ziemlich peinliche olle Kamellen wären, die ich ihm vorsetzte.
    »Worauf willst du eigentlich hinaus, Onkel Paul?«
    »Ich versuche, dir klarzumachen, daß Manueli zwar dein Erzeuger, aber niemals dein Vater war. Du entstammst einer Verbindung zweier Menschen, die sich nicht als dauerhaft erwies. Deine Mutter erkannte nach einer heftig entflammten Neigung bald, daß sie mit Manueli unglücklich geworden wäre. Und einige Zeit nach ihrer Trennung lernte sie den Mann kennen, den du dein Leben lang nicht nur Vater genannt hast, sondern der in Wahrheit dein Vater gewesen ist und bleiben wird, auch wenn du das Wort Vater ihm gegenüber im Augenblick nur zögernd aussprichst. Das ist verständlich, denn die Ereignisse haben dich überrumpelt, und es wird noch eine Weile dauern, bis du sie aufgenommen und verdaut hast. Aber Stephan Textor verdankst du mehr als Nahrung, Wohnung und die Schulerziehung, die er dir zuteil werden ließ, du verdankst ihm...«
    »Wem erzählst du das!« rief er und warf den Kopf empor.
    »Dir, mein Junge, dir allein! Weil ich nämlich das Gefühl habe, daß du deinem Vater gegenüber plötzlich Hemmungen hast. Er würde es sich nicht anmerken lassen, was du ihm damit antust, aber es würde ihm verdammt weh tun!«
    »Du unterstellst mir Absichten, die ich niemals gehabt habe!« sagte er heftig. »Ich finde es nur schäbig von den beiden, daß weder Vimmy noch Paps so viel Vertrauen zu mir hatten, um mir die Geschichte zu erzählen. Wenn ich geahnt hätte, was Manueli nach Wartaweil geführt hat — ich hätte ihm meine Meinung gesagt. Und ich hätte ihm gesagt, was ich von ihm halte. Und ich hätte ihm gesagt, daß es mein scheußlichster und peinlichster Gedanke ist, von ihm in die Welt gesetzt worden zu sein und daß ich nur einen Menschen auf der Welt Vater nennen könnte, nämlich Paps!«
    »Das könntest du Herrn Textor gelegentlich auf eine nette Art beibringen«, murmelte ich. »Hast du deiner Mutter ein paar Grüße an ihn in die Klinik mitgegen?«
    Er wurde verlegen und zog den Hals ein.
    »Tja, weißt du«, murmelte er, »ich bin eigentlich nicht dazugekommen. Wir hatten so viel zu erledigen. Die Geschichte mit Sofie... Vimmy gab mir den Auftrag, einen Anwalt für Sofie zu besorgen... Und dann war ich überhaupt ziemlich durcheinander. Es war doch allerhand, was ich da auf nüchternen Magen zu hören bekam. Ich fürchte fast, ich habe mich Vimmy gegenüber nicht sehr liebenswürdig betragen.«
    »Seid ihr etwa böse auseinandergegangen?«
    »Das gerade nicht. Du kennst ja Vimmy, da bringt man seinen Zorn ziemlich schwer an. Es war mehr eine Verstimmung. Ich habe ihr halt vorgeworfen, daß sie kein Vertrauen zu mir gehabt hat.«
    Er schnüffelte laut und putzte sich geräuschvoll die Nase. Meine
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