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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers
Autoren: Horst Biernath
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meinem Bett und sagte, sie hätte Manueli umgebracht, und ich solle sie nach Altenbruck zur Polizei fahren. Im ersten Augenblick glaubte ich, nun sei sie endgültig übergeschnappt. Aber sie sagte: >Ich bin es wirklich gewesen, Alexchen, und der Revolver, mit dem ich ihn erschossen habe, liegt hier in meiner Handtaschen Und sie machte sie auf und zeigte mir die Walther aus Paps’ Schreibtisch. Und im Magazin fehlten drei Patronen.«
    Er fuhr sich mit dem Ärmel über die Stirn, um den Schweiß abzuwischen, der ihm durch die Brauen in die Augen sickern wollte.
    »Und da fragte ich sie, warum, um Himmels willen, sie Manueli niedergeschossen habe. Und da antwortete sie mir ganz feierlich und ernst: >Weil er ein Zauberer war und Satanas, seinem Herrn, als Meister der schwarzen Magie gedient hat.<«
    »Das sagte sie?« fragte ich erschüttert.
    »Ja, genau das waren ihre Worte. Und sie sagte noch: >Aber der Herr der himmlischen Heerscharen hat in mir das Werkzeug seiner Gnade geschaffen, um ihn zu vernichten und euch aus seiner Gewalt zu erlösen.< Und sie sprach nicht ein bißchen Ostpreußisch dabei, sondern ganz hochdeutsch und feierlich. Es war komisch und grauenhaft zugleich. Ich fuhr mit ihr nach Altenbruck, und vor dem Staatsanwalt wiederholte sie die gleichen Worte. Ich war dabei, als sie vernommen wurde. Sofie erzählte dem Staatsanwalt, der sehr höflich und nett zu ihr war, wie Manueli ihr vor mehr als zwanzig Jahren begegnet sei, damals, als Vimmy noch Schauspielerin und sie selber Vimmys Kammerfrau war, und wie Manueli nicht nur Vimmy, sondern auch sie selber verzaubert und behext habe. Und sie erzählte, wie er einmal, um ihr die Macht zu zeigen, die ihm von Satanas, seinem Herrn, über Leben und Tod gegeben worden sei, in der Küche einer lebenden weißen Taube den Kopf abgerissen habe, daß das Blut rot in der Küche umhergespritzt sei, und dann über der Taube einen Zauberspruch gemurmelt und ihr den abgerissenen Kopf wieder angefügt und sie in die Luft geworfen habe — und die Taube wäre emporgeflattert und hätte sich auf seine Schulter gesetzt und wie ein Mensch gesprochen.«
    Er befeuchtete sich die spröden Lippen mit der Zunge.
    »Hast du Durst?«
    »Ich bin wie ausgedörrt.«
    »Bleib sitzen, mein Junge, ich hole dir was zu trinken.«
    In der Küche stand Hansi am Herd und schälte Kartoffeln. Kaltes Fleisch lag, in feine Streifen geschnitten, auf einem Holzteller, und eine Schüssel mit verquirlten Eiern stand daneben. Es sollte wahrscheinlich ein Bauernfrühstück oder Tiroler Geröstl werden.
    »Du bist ein kluges Mädchen«, sagte ich zärtlich und küßte ihr Ohr. »Ruf uns nachher in die Küche, wenn du fertig bist. Wir alle drei können etwas Warmes im Magen vertragen. Und was Alex mir berichtet, erzähle ich dir später. Es ist seltsam und erschütternd. Ich glaube Sofie, wird milde Richter finden.«
    Ich füllte ein Glas mit Selterswasser und trug es Alexander hinaus. Er stürzte es auf einen Zug hinunter.
    »Ja, es klang alles ein wenig verrückt, was Sofie vorbrachte, aber es war etwas in ihrer Haltung, was alle beeindruckte, auch den Staatsanwalt und Herrn Wildermuth. Der Staatsanwalt war ihr gegenüber höflicher und — ich möchte fast sagen — menschlicher, als er sich bei Vimmys Verhaftung benommen hatte.«
    Er sah mich plötzlich an und umspannte meinen Arm mit seinen langen, starken Sportlerhänden so fest, daß der Griff mich schmerzte.
    »Sag, Onkel Paul, hast du es von Anfang an gewußt, daß in Wirklichkeit Manueli mein Vater war?«
    »Nein, Alex, ich habe es erst gestern erfahren, aber auch wenn ich es schon früher gewußt hätte, hätte ich kein Recht gehabt, es dir zu sagen.«
    »Weshalb hat es mir niemand gesagt?« fuhr er auf. »Weshalb hat Vimmy es mir nicht gesagt? Sieh einmal, Onkel Paul, ich bin doch kein Idiot und auch kein Kind mehr. Daß mit meiner Geburt etwas nicht stimmte, das habe ich doch schon seit Jahren gewußt! Vimmy muß sich doch etwas dabei gedacht haben, wenn sie sah, daß ich in unserm Familienstammbuch blätterte. Oder bildete sie sich ein, es fiele mir nicht auf, wenn ich las, daß sie geheiratet haben, als ich fast ein Jahr alt war? Zuerst, als ich es entdeckte, hat es mich verflucht getroffen. Nicht, daß ich mich geschämt hätte, daß sie es so eilig hatten, aber es war mir doch für Vimmy ein bißchen peinlich. Und dann später habe ich es großartig gefunden, daß gerade Vimmy, die doch immer so etwas Unnahbares und Damenhaftes an sich
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