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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers
Autoren: Horst Biernath
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Bart und Brauen mit einer Spezialtinktur zu behandeln. Ihre pechige Schwärze war Natur.
    Natürlich hatte ich sofort, kaum daß ich die Zeitungsnotiz überflogen hatte, im Georgischlößl angerufen um mich mit Stephan Textors Frau Victoria, die die Freunde des Hauses Vicky nennen durften, verbinden zu lassen. Aber sie war nicht daheim, sondern in der Klinik, wo Textor damals noch infolge eines zusätzlichen Schädelbruches ohne Bewußtsein lag. Statt ihrer hatte mir zuerst Sofie, die Köchin, Auskunft gegeben, in ihrem breit singenden Ostpreußisch, das, durch Tränen und Schluchzen erstickt, noch breiter und noch östlicher geklungen hatte. Und dann war Hansi an den Apparat gekommen, Stephan Textors achtzehnjährige Tochter, ein entzückendes Geschöpf, die meine ursprünglich durchaus väterlichen Gefühle für sie seit etwa zwei Jahren in eine leichte Verwirrung brachte, weil sie mich, sooft ich in Pertach zu Gast war, als Zielscheibe koketter Experimente mißbrauchte. Aber auch Hansi schien noch unter der Einwirkung des Schocks zu stehen, den die Unglücksbotschaft im Georgischlößl ausgelöst hatte, und konnte mir nicht mehr sagen, als was ich durch die Zeitungsnotitz und Sofies Gestammel schon erfahren hatte. Da ich Victoria Textor in der Klinik nicht erreichen konnte, machte ich kurzen Prozeß und fuhr selber in die Klinik hinaus, wo mir der Stationsarzt Dr. Körner erschöpfende Auskunft gab und mir gleichzeitig mitteilte, daß an einen Besuch Textors in absehbarer Zeit nicht zu denken sei, da der Patient, ganz abgesehen von der Wirbelsäulenverletzung, eben an den Folgen seines Schädelbruches und einer schweren Gehirnerschütterung leide. Auch Frau Textor sei es untersagt worden, mit ihrem Mann zu sprechen.
    Da es spät am Nachmittag war, beschloß ich, am folgenden Tage nach Pertach hinauszufahren. Es waren von meiner Haustür bis zum Georgischlößl genau einhundertdreiundzwanzig Kilometer, und ich schaffte sie, wenn ich tüchtig aufs Pedal trat, in zwei Stunden. Ein Renner war mein alter Ottokar nicht, aber er ließ mich auch nie oder nur sehr selten im Stich. Textor hatte Pertach vor rund fünfzehn Jahren von einem trunksüchtigen Maler erworben, der während der Verkaufsverhandlungen noch rasch ein paar Eichensparren aus den Dachstühlen der beiden zum Schlößl gehörenden Scheunen herausgesägt und versoffen hatte. Auf Pertach traf ich die ganze Familie Textor an, auch Alexander, den zwanzigjährigen Bruder von Hansi, einen hübschen, langaufgeschossenen Jungen, der mir meine Zigaretten wegrauchte und jedesmal, wenn ich ihn wiedersah, noch ein Stück länger geworden zu sein schien, obwohl er behauptete, seit einem guten Jahr nicht mehr über seine einsneunzig hinausgewachsen zu sein. Alexander war es, der mich im Hof empfing, während ich glaubte, er befände sich auf Schloß Wartaweil, einem Landschulheim, wo er sich auf das Abitur vorbereitete, das in diesem Sommer fällig war. Schloß Wartaweil...Ein historischer Name, der aber, seit die alte Burg von einem tüchtigen Pädagogen erworben worden war und als Landschulheim diente, einen Beigeschmack von Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung bekommen hatte. Victoria Textor hatte den Jungen telegrafisch nach Pertach gerufen.
    »Eine scheußliche Geschichte, Alex«, sagte ich und klopfte ihm teilnahmsvoll auf den Rücken. Er senkte den Kopf und sah aus, als trüge er eine Last, die für seine Jahre zu schwer sei.
    »Nett von dir, daß du gekommen bist, Onkel Paul«, murmelte er und verzog nervös das Gesicht. »Ich weiß nicht, was mit Vimmy und Hansi ist. Natürlich, die Geschichte mit Paps ist fürchterlich, aber immerhin ist sie doch nicht mehr ganz so hoffnungslos wie im ersten Augenblick, als die Ärzte befürchteten, Paps hätte neben dem Schädelbruch auch noch die Wirbelsäule gebrochen und würde, selbst wenn er durchkäme, zeitlebens gelähmt bleiben. Nun, gestern abend hat Professor Salfrank selber Vimmy angeläutet und ihr gesagt, daß die Nerven der Beine reagieren und daß Paps die Zehen bewegen kann. Und das wäre ein sehr gutes Zeichen. Natürlich wird es lange dauern, bis er gehen und sich wieder bewegen kann. Aber die Sache ist doch nicht mehr völlig aussichtslos.«
    Mir fiel ein kleiner Stein vom Herzen. Es war noch keine gute Nachricht, aber man konnte doch wenigstens hoffen. Trotzdem sah Alex keineswegs glücklich aus. Er zupfte am Rervers seiner Jacke herum und verdrehte den Hals, als beenge ihn der offene Kragen seines
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