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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers
Autoren: Horst Biernath
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Befürchtung, er könne seiner Mutter vielleicht noch andere Vorwürfe gemacht haben, schien unbegründet zu sein.
    »Nun ja, das läßt sich leicht einrenken.«
    »Meinst du? Ja, ich könnte in die Klinik fahren und Paps besuchen. Morgen vormittag vielleicht. Dann hätte ich die beiden gleich beieinander. Aber das sage ich ihnen auf alle Fälle, daß sie sich selber und mir allerhand Kummer erspart hätten, wenn sie mich etwas früher in die Geheimnisse der Erwachsenen eingeweiht hätten, verdammt noch einmal.«
    Er hob den Blick und sah mich verwirrt an.
    »Und Sofie auch!« fügte er ganz bestürzt hinzu. »Denn wenn ich alles gewußt hätte, dann hätte die arme Sofie Manueli nicht umgebracht! So ist es doch! Oder nicht?«
    Er fuhr sich mit beiden Händen über die Stirn und strich das Haar zurück.
    »Oder meinst du, Onkel Paul, ich soll die Vorwürfe lieber bleiben lassen? Womöglich kommen sie noch darauf, daß nur ihre verfluchte Geheimniskrämerei an Sofies Tat schuld ist.«
    »Versetz dich einmal in die Lage deiner Eltern. Ich persönlich bin nicht besonders prüde und schamhaft, aber ich weiß nicht, ob ich dir die Geschichte schon zu einem Zeitpunkt, als es nicht gerade brennend notwendig war, erzählt hätte. Aber ich bin fest überzeugt, daß du alles erfahren hättest, wenn Sofie die Schüsse auf Manueli nicht abgegeben hätte. Denn an dem Tag, an dem deine Eltern erfuhren, daß Manueli nach Wartaweil gefahren war, um dich zu sehen, waren sie sicherlich zu der Einsicht gelangt, daß ein längeres Schweigen sinnlos sei. Ja, ich bin sogar davon überzeugt, daß sich dein Vater, als er verunglückte, auf dem Wege zu dir befand.«
    »Glaubst du wirklich?«
    »Ja, ich halte es sogar für sicher, denn schließlich ist dein Vater ein Mann von klarem Verstand.«
    Er zog seinen Schuh aus und kippte ein paar Steinchen heraus, die ihn drückten.
    »Sag mal, Onkel Paul, was wollte Manueli eigentlich von mir? Weißt du eigentlich, daß er kerngesund war und daß der Grund, den er vorgegeben hatte, um sich mir zu nähern — er wolle mich zum Erben seines Vermögens einsetzen —, völlig aus der Luft gegriffen und erlogen war? Er hatte weder Besitz noch Vermögen. Im Gegenteil, er steckte in Schulden und befand sich auch beruflich auf dem absteigenden Ast. In Amerika war er in einen üblen Skandal verwickelt worden, eine Rauschgiftaffäre, der er sich nur durch sein rasches Verschwinden entzogen hat. Und seine europäischen Engagements waren zweitrangig. Aus Wien lag ein Ersuchen des Rauschgiftdezernats vor, ihn in Deutschland zu beobachten.«
    »Wer hat dir das erzählt?«
    »Dein Freund Wildermuth. Ein wirklich netter und gescheiter Mann, trotz seines komischen Schädels und trotz des Froschgesichts. Ich habe ihn gefragt, was Manueli bewogen haben mag, sich in Vimmys Leben zu drängen.«
    »Und was meinte er?«
    Alexander hob die Handflächen, drehte sie nach oben und ließ sie wieder sinken.
    »Ach, er wurde philosophisch. Er sprach von den aufbauenden und zerstörenden Kräften der Seele, vom Genius und Dämon in unserer Brust... Nun ja, es gab mir nicht viel...«
    »Ich kann dir deine Frage leider auch nicht beantworten«, sagte ich schließlich. »Aber ich glaube, daß Wildermuth sich auf der richtigen Spur bewegte. Vielleicht ist Manueli einer Frau wie deiner Mutter nie mehr begegnet. Vielleicht spürte er, was er mit ihr verloren hatte, erst später, nach vielen Vergleichen. Und vielleicht verwand er den Verlust innerlich nie und wollte ihr Leben, wenn er schon keinen anderen Einfluß mehr darauf gewinnen konnte, wenigstens beunruhigen oder gar zerstören. Eifersucht — was weiß ich? Du bist noch zu jung und ich bin noch nicht alt genug, um alles zu begreifen, was in den dunklen Winkeln unseres Herzens an Niedertracht und bösen Wünschen herumgeistert. Und was für grausame Verwüstungen jenes Gefühl anzurichten vermag, das wir Liebe nennen!«
    »Jetzt redest du genau wie Herr Wildermuth«, murmelte Alex ein wenig unbehaglich. »Ich verstehe schon, es sind Deutungsversuche. Aber eine klare Antwort wäre mir lieber.«
    »Mir auch, aber wann bekommen wir schon auf eine Frage eine klare Antwort? Es gibt zu viele Fragen und Rätsel in der Welt, und unser Verstand ist zu gering, um die Fragen zu beantworten und die Rätsel zu lösen.«
    Ich erhob mich und streckte die steifgesessenen Beine. Auch Alexander stand auf und reckte die Arme. Er zupfte das Hemd, das ihm am Rücken klebte, von der Haut.
    »Springen
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