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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers
Autoren: Horst Biernath
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Fingergelenk schnitt, und blinzelte mich von unten herauf an.
    »Verzeih die Gegenfrage, Onkel Paul, und sie soll beileibe keine Unverschämtheit sein, wirklich nicht! Aber findest du, daß Kriminalromane zu schreiben für einen Mann wie dich ein echter Beruf ist?«
    Ich nahm ihm den Haken aus der Hand und prüfte ihn sorgfältig, denn ich war sein Lehrer im Angelsport gewesen und hatte ihm eine Menge kleiner Tricks beigebracht. An seiner Arbeit war nichts auszusetzen. Der Silk war in sechs Spiralen um den Stahl gewickelt, von unten durch die Schlingen gezogen und saß tadellos stramm.
    »Siehst du!« sagte er herzlich, »ich finde es einfach ideal, wenn man von dem, was man mit echtem Vergnügen betreibt, leben kann. Ich habe mir nie etwas anderes zu tun gewünscht als das, was Paps sein Leben lang getan hat. Schöne Dinge sammeln, die schönsten behalten, und die weniger schönen verkaufen. Und ich habe auch dich immer um deine Schriftstellerei beneidet. Diese Freiheit! Diese völlige Unabhängigkeit! Nicht nur im Leben, sondern auch in der Wahl deiner Stoffe. Ich weiß, daß du ziemlich fleißig bist. Aber im Grunde machst du doch nur etwas, was dir Spaß macht. Stimmt es etwa nicht? Na siehst du! Leider bin ich in dieser Hinsicht völlig untalentiert, sonst hättest du in mir eine scharfe Konkurrenz bekommen.«
    »Das ist mir wahrhaftig einen kleinen Lappen wert«, murmelte ich und schob ihm statt des zugedachten Zehners einen Zwanziger in die äußere Brusttasche.
    »Oh, was für ein Festtag!« grinste er und spie dreimal leicht auf den Geldschein. »Wie ist es übrigens, Onkel Paul, hast du nicht Lust, zum Abendessen und über Nacht hierzubleiben? Wir haben noch ein paar schöne Schleie im Bassin oder einen Aal, falls du Aal lieber magst. Und der Dill ist auch schon ganz schön ins Kraut geschossen...«
    »Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, mein Junge, aber ich habe leider keine Zeit. Doch es wäre nett von dir, wenn du mir bei Sofie einen Kaffee bestellen würdest.«
    »Aber gern! Hast du Hansi inzwischen gesprochen?«
    »Nein, ich habe sie nicht gesehen.«
    »Dann geh doch zu ihr hinauf«, meinte er. »Ich sorge derweil für den Kaffee und lasse ihn dir auf Hansis Zimmer bringen. Übrigens, was sagst du zu Vimmy? Was steckt da eigentlich dahinter? Weshalb sieht sie aus, als ob sie sich im Nebel verirrt hat?«
    Es war merkwürdig, daß er dasselbe Bild gebrauchte, das mir bei Vickys Anblick in den Sinn gekommen war.
    »Sag einmal, Alex, habt ihr im Augenblick finanzielle Sorgen? Ich meine, habt ihr Geld verfügbar?«
    »Wenn du das meinst, dann hast du schwer danebengeraten. Vimmy hat mich gestern nach Altenbruck auf die Bank geschickt, deshalb kann ich es dir ganz genau sagen: wir waren noch nie so gut betucht wie im Augenblick. Paps hatte für die Auktionen in Florenz und Rom, wo er einen Veronese kaufen wollte, einen ziemlich hohen Betrag flüssig gemacht. Unter uns gesagt, fünf Nullen... Nein, nein, es sind keine Geldsorgen, die Vimmy bedrücken. Da steckt etwas anderes dahinter. Und ich möchte wetten, daß es mit diesem Manueli in irgendeinem Zusammenhang steht.«
    »Du bist verrückt«, sagte ich ungeduldig, »du siehst Gespenster! Ich halte es für völlig absurd, darauf auch nur einen Gedanken zu verschwenden. Manueli war hier im Hause und interessierte sich für altes Meißen. Dein Vater und deine Mutter haben den Mann zum erstenmal in ihrem Leben gesehen. Aber es würde auch dir einen Stoß versetzen, wenn du hören würdest, daß ein Mann, mit dem du noch ein paar Stunden vorher gesprochen hast, plötzlich ermordet worden ist. Ich glaube, daß die Einsamkeit von Pertach deiner Mutter ein wenig unheimlich geworden ist. Die Einsamkeit und euer verdammtes Hausgespenst und der Unfall deines Vaters... Da könnte auch ein kräftigerer Mensch als deine Mutter die Nerven verlieren. Das sind die Umstände, denen du es zu verdanken hast, daß du hierbleiben darfst!«
    »Na schön«, murmelte er wenig überzeugt, »aber weshalb hat dann auch Hansi die Balance verloren? Die ist doch nun wahrhaftig nicht so zart besaitet!«
    »Eine junge Dame von achtzehn Jahren...«
    »Tatata!« machte er. »Brich dir nur nichts ab, Onkel Paul! Diese junge Dame hat Nerven wie Stricke und ein Gemüt wie ein Eisblock. Ich kenne sie besser als du. Hansi ist ein Biest, auch wenn du es mir nicht glauben willst.«
    Ich dachte daran, wie ich meine Schwestern beurteilt hatte, als ich in Alexanders Alter war, und verzichtete
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