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Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen

Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen

Titel: Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen
Autoren: Piers Anthony
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I
    Tyl von den Zwei Waffen lag im nächtlichen Getreidefeld auf der Lauer. Das eine Stockrapier hielt er in der Hand, das zweite trug er griffbereit im Gürtel. Zwei Stunden wartete er schon, ohne sich zu rühren.
    Tyl war ein hübscher Mann, schlank und muskulös. Die harten Züge in seinem Gesicht verdankte er den Jahren der Macht. Das Imperium erstreckte sich über tausend Meilen, und er war nun hinter dem Herrn der zweite in der Hierarchie und der erste, was die praktische Ausübung der Macht anbelangte. Er bestimmte die Politik innerhalb der vom Herrn festgelegten großen Leitlinien und legte Rangordnung und Platzierungen der wichtigsten Unterführer fest. Tyl besaß Macht – doch sie rieb ihn auf. Und dann hörte er es – ein Rascheln aus nördlicher Richtung, ein Rascheln, das für die hier heimischen Tiergattungen ungewöhnlich war.
    Vorsichtig richtete er sich auf. Die hohen Halme schirmten ihn vor dem Eindringling ab. Es war eine mondlose Nacht, denn die unbekannte Bestie scheute das Licht. Tyl konnte die Richtung, die sie einschlug, nach seinen leisen Geräuschen bestimmen. Der Wind wehte von Norden. Andernfalls hätte das Wesen seine Witterung bekommen und wäre entwischt.
    Kein Zweifel. Das war seine Jagdbeute. Jetzt erklomm das Tier den massiven Holzzaun, kletterte darüber hinweg und landete mit dumpfem Aufprall im Getreidefeld. Es hielt still und wartete ab, ob es entdeckt worden war. Ein überaus gewieftes Tier – eines das Fallgruben mied, Gift unberührt ließ und sich heftig zur Wehr setzte, wenn es in eine Falle geriet. In den vergangenen drei Monaten waren drei von Tyls Leuten bei nächtlichen Begegnungen mit diesem Wesen verwundet worden. Im Lager hatte es sich den Ruf eines Zauberwesens errungen, als böses Omen sozusagen, und selbst geübte Krieger zeigten unziemliche Angst vor der Finsternis.
    Folglich war es nun Sache des Anführers die Angelegenheit zu bereinigen. Tyl, schon seit langem angeödet von der Routine einen nicht auf Eroberung befindlichen Stamm zu führen, freute sich über diese Herausforderung. Er wollte das Ding fangen und es dem Stamm vorführen: Seht her, das ist die Spukgestalt, deretwegen kleinmütige Naturen zu Memmen wurden!
    Gefangenschaft und nicht der Tod, war das seiner Beute bestimmte Los. Aus diesem Grund hatte er seine Stockrapiere an Stelle des Schwertes mitgebracht.
    Wieder ein leises Geräusch. Jetzt begann es das reife Getreide von den Halmen zu reißen, um es auf der Stelle zu verschlingen. Das allein war schon ein Merkmal, das das Wesen von den gewöhnlichen Fleischfressern unterschied, denn die hätten kein Körnchen Getreide angerührt. Aber ein gewöhnlicher Pflanzenfresser konnte es auch nicht sein, denn ein solcher hätte die Ähren nicht auf diese Weise abgerissen und verschlungen. Und die Fußspuren, die man am Tag nach einem Raubzug entdeckte, stammten von keinem bekannten Tier. Breit und rund waren sie, mit den Abdrücken von vier gedrungenen Klauen oder Hufen – von keinem Bären stammend, nichts Natürliches.
    Jetzt wurde es Zeit. Tyl näherte sich dem Wesen, in der einen Hand den Stock und mit der anderen behutsam die Getreidehalme teilend. Er wußte, daß er es nicht gänzlich überrumpeln konnte, hoffte aber doch, genügend nahe heranzukommen, um es mit einem plötzlichen Angriff zu überwältigen. Tyl stufte sich als den besten Stockkämpfer seiner Welt ein. Der einzige, der ihn hätte schlagen können, Stock gegen Stock, war tot, auf den Berg gestiegen. Es gab nichts, was Tyl fürchtete, wenn er so bewaffnet war.
    Während des Anschleichens dachte er mit Wehmut an jene einzige Niederlage. Vor vier Jahren war es gewesen, als er noch jung war. Das hatte allein Sol geschafft – Sol der Meister aller Waffen, Schöpfer des Imperiums, der kühnste Krieger seiner Zeit. Sol war zur Eroberung der Welt aufgebrochen, mit Tyl als Erstem Stellvertreter. Und so hatten sie es gehalten, bis der Namenlose kam.
    Jetzt war Tyl ganz nahe. Die Freßgeräusche verstummten. Das Ding hatte ihn gehört!
    Tyl wartete nicht erst ab, bis das schlaue Tier einen Entschluß gefaßt hatte. Er stürzte darauf zu ohne Rücksicht auf das Getreide, das er dabei zertrat. Beide Stockrapiere hielt er kampfbereit in der Hand und hieb sich damit den Weg durch die Ähren frei.
    Das Wesen machte einen Satz. Tyl sah vor sich in der Dunkelheit ein behaartes Etwas, hörte sein unheimliches Grunzen. Er war sehr versucht, seine Taschenlampe anzuknipsen, wußte aber, daß er damit
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