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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers
Autoren: Horst Biernath
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und ich auch nicht recht wußte, warum sie plötzlich so trost- und anlehnungsbedürftig war.
    »Wie gut, dein Gesicht zu sehen, Onkel Paul!«
    Mir wurde ganz warm ums Herz.
    »Als ich den fremden Schritt hörte, und als es klopfte, da dachte ich schon...«
    »Was dachtest du?« fragte ich, als sie plötzlich stockte.
    »Es wären wieder diese gräßlichen Männer von der Kriminalpolizei oder von der Staatsanwaltschaft.«
    »Aber Kindchen, diese Männer tun nichts als ihre Pflicht!«
    »Gewiß, aber sie könnten ihre Pflicht ein bißchen liebenswürdiger tun.«
    »Nun ja, Charmeure sind sie wahrscheinlich nicht. Oder hast du das von ihnen erwartet?«
    »Ich habe nichts erwartet, ich finde es nur gräßlich, daß sie überhaupt zu uns kommen und Fragen stellen, die man nicht beanworten kann.«
    »Heißt das, daß du die Fragen nicht beantworten willst?«
    Hansi stieß sich mit einem kleinen Druck der Fingerspitzen von mir ab und ließ sich auf einem grün bezogenen Hocker mit wundervoll geschwungenen Zargen nieder. Ihr weiter Chintzrock — schwarzer Untergrund mit pastellfarbenem, großem Blumendekor — bauschte sich aus der überschlanken Taille wie eine Krinoline und fiel seitlich auf den Teppich herab, einen weichen Mossul mit satten Farben in Blau und Rot. Ich zog mir ebenfalls einen Hocker heran und versuchte, den unterbrochenen Kontakt herzustellen, indem ich Hansis linke Hand zwischen meinen Fingern wärmte. Die Ähnlichkeit mit ihrer Mutter war frappant, genauso zart und mädchenhaft mußte Vicky ausgesehen haben, als sie als Johanna von Orléans in München das Publikum im Sturm erobert hatte. Ein entzückendes Geschöpf, zierlich und doch kraftvoll, sehr weiblich und von einem betörenden Charme; am bezauberndsten die großen, rehbraunen Augen in dem weichen Rahmen des kognakfarbenen Haares, dessen variable Lichter jeden Maler vor eine fast unlösbare Aufgabe stellten. Ich muß hier wohl gestehen, daß mein hartnäckiges Junggesellentum am meisten auf den Umstand zurückzuführen war, daß ich Victoria leider erst kennenlernte, als sie bereits Stephan Textors Frau war, und daß ich inzwischen zu alt geworden war, um mich Hansi ernsthaft als Bewerber nähern zu können. Ein Altersunterschied von genau zwanzig Jahren — das war zuviel.
    »Sag einmal, Hansimädchen, wäre es nicht angebracht, wenn du mir jetzt dein Herz ausschütten würdest? Ich weiß, daß dich der Unfall deines Vaters genauso schwer bedrückt wie deine Mutter. Aber ich habe das Gefühl, daß es da noch andere Dinge gibt, die euch Kummer machen.«
    Sie hob langsam das Gesicht und sah mich aufmerksam und nachdenklich an. Und dann stieß sie einen kleinen Seufzer aus, entzog mir ihre Hand und verbarg sie in den Falten ihres Rockes.
    »Was hat dir Vimmy erzählt?« fragte sie leise.
    »Leider nichts — oder so gut wie nichts. Was ich weiß, stammt von Alex. Und der hat seine Kenntnisse aus dritter Hand. Was war hier eigentlich los? Deine Mutter sieht aus, als irre sie in dichtem Nebel herum. Das war mein Eindruck von ihr, und Alexander sprach es nicht aus Zufall mit den gleichen Worten aus. Und auch du wirkst irgendwie verstört...«
    Sie wich meinem fragenden Blick aus, erhob sich und trat ans Fenster; ich konnte nur ihre Silhouette erkennen, die sich scharf gegen den enzianblauen Himmel abhob.
    »Schließlich war dieser Mensch doch zuletzt in unserem Haus!« sagte sie mit einer gewissen Wildheit, aber in ihrer Stimme lag noch etwas anderes, das ich im Augenblick nicht deuten konnte. »Und es wäre dir auch nicht gerade angenehm, Onkel Paul, wenn du im Mittelpunkt einer kriminellen Vernehmung stehen würdest!«
    »Schließlich ist dieser Mensch ermordet worden«, gab ich ihr zu bedenken und bediente mich dabei ihres Ausdrucks und Tonfalls und spürte plötzlich, was dahinter lag: Haß oder Verachtung — oder beides zusammen.
    »Es gibt gar nichts anderes!« stieß ich hervor und starrte Hansi an. »Ihr habt diesen Menschen gekannt!«
    »Nein, nein, nein!« rief sie laut und preßte die Fäuste gegen ihre Schläfen. Und fast unhörbar fügte sie hinzu: »Bitte, quäl mich nicht mit deinen Fragen, Onkel Paul! Ich kann dir nichts sagen! Ich kann es nicht! Und ich weiß auch nichts!«
    Ich spielte mit meinem Feuerzeug, ließ es aufschnellen und blies die gelbe Flamme mit einem langen Atemstoß aus.
    »Schön, Hansi, du weißt also nichts. Aber selbst, wenn du mehr wüßtest, als du zu wissen zugibst, habe ich nicht die Absicht, dir deine
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