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Der Teufelskeiler

Der Teufelskeiler

Titel: Der Teufelskeiler
Autoren: Joe R. Lansdale
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ausgehobenen Bewässerungsgraben. Vor meinen Augen schwammen kleine schwarze Flecke wie Kaulquappen.
Die dornigen Ranken gaben nach, und ich fiel raus ins Freie. Ich kroch zur Winchester hinüber. Sie lag nicht viel weiter als einen Meter weg, meinem Gefühl nach hätte sie aber genauso gut im nächsten County liegen können.
Die Hunde knabberten immer noch an Old Satans Beinen, doch er kam nicht vom Schild herunter. Sie umkreisten ihn und schnappten, aber er blieb, wo er war und hüpfte immer wieder hoch wie ein großer, fieser Junge. Jedes Mal, wenn der Eber wieder auf dem Schild landete, hörte man, wie es krachte und Abraham stöhnte. Wenn es nicht so ernst gewesen wäre, hätte man es lustig finden können.
Jetzt hatte ich die Winchester. In der Mündung steckten ein Dreckklumpen und Blätter. Ich zupfte das Zeug raus, stützte mich auf einen Ellbogen und nahm Old Satan sorgfältig ins Visier.
Das Schwein war gerade wieder auf Abrahams Gesicht aus, als ich abdrückte. Schlecht gezielt. Ich verfehlte das Auge und traf nur die Schulter. Das machte ihn offenbar nur noch wütender.
Old Satan stieß ein Quieken aus, hüpfte vom Schild herunter und raste auf mich zu, gerade als ich eine neue Patrone in die Kammer drückte. Er kam mit gesenkter Schnauze daher, und dort, wo Abrahams Speer getroffen hatte, sah man einen kleinen Blutfleck. Auf den zielte ich und schoss. Dann ließ ich das Gewehr fallen, legte die Hände über den Kopf und begrub mein Gesicht in der Erde.
Sein Gestank traf mich als Erstes. Ich konnte hören, wie er wegrutschte, konnte spüren, wie sein Gewicht gegen meinen Kopf plumpste ... und nichts geschah.
Langsam nahm ich die Hände weg und hob den Kopf. Ich lag Nase an Nase mit dem Unhold. Seine Hauer standen links und rechts von meinem Gesicht hoch. Mein Schuss hatte ihn getötet, er war gestürzt und auf dem Bauch bis zu mir hergeschlittert.
Ich sah in seine Augen. Sie standen offen. Sie hatten zwar noch die gleich Farbe, waren aber irgendwie anders. Der Teufel war aus ihnen gewichen, und übrig geblieben war nichts als ein großes, totes Schwein.

NEUN

    Seltsam. Genauso fühlte ich mich. Seltsam.
    Abraham warf den Schild beiseite und kam herüber. Er stieß einen Freudenschrei aus und hüpfte auf der Lichtung herum. »Du hast ihn erwischt, Ricky, du hast ihn erwischt.«
    Ich fühlte mich auch ohne Abrahams Gehopse schon schlecht genug. Ihm zuzusehen, bereitete mir Übelkeit. Ich schaffte es, mich aufzusetzen, die Hände zwischen den Beinen, halb zusammengesackt.
    »Wir haben ihn erwischt«, sagte ich. »Du und ich, Abraham. Genau wie wir gesagt haben.«
    »Jeder Jäger von Osttexas war hinter diesem alten Eber her, und wir haben ihn gekriegt, Ricky. Ich und du.«
    Ich betrachtete Old Satan. Aus der Nähe konnte man erkennen, dass er über und über mit Narben bedeckt war. Auch ein paar frische Wunden waren dabei, die Abraham und ich ihm zugefügt hatten.
    »Jetzt sieht er nur noch wie ein altes, totes Schwein aus«, sagte ich. »Gar nicht mehr wie ein Medizinmann, Dämon oder Teufel. Bloß wie ein totes Schwein.«
    »Na ja, bevor er gestorben ist, hat er auf jeden Fall selbst so allerhand getötet, und wahrscheinlich hätte er noch lange so weitergemacht. Also krieg jetzt bloß kein Mitleid mit ihm.«
    Abraham beugte sich zu ihm hinunter. »Alt ist er tatsächlich. Der ist bestimmt so alt, wie alle immer behauptet haben. Und überall voller Narben.«
    »Mir geht's nicht so toll«, sagte ich.
    »Uiii, Ricky, du verlierst ja jede Menge Blut.«
    »Hast du das auch schon gemerkt.« Meine Hose war vom Knie bis zur Hüfte aufgerissen, mein Bein voller Blut. Abraham zog sein Hemd aus, riss es in Streifen und band mein Bein ab. Nicht so fest, dass kein Blut mehr hätte durchfließen können, aber doch so, dass es aufhörte, rauszusprudeln.
    »Er hat keine Hauptschlagader getroffen«, sagte Abraham, »aber er hat dich ganz schön erwischt.«
    »Schön würde ich nicht grad sagen.« Ich fühlte mich allmählich etwas benommen. Plötzlich kam mir alles irgendwie lustig vor. »Du alberner Kerl. Du mit deinem Speer und dem Schild. Du bist doch kein Afrikaner.«
    »Hätte ich den klapprigen Schild nicht gehabt, könntest du mich jetzt von den Ästen drüben am Fluss runterkratzen. Der Eber hätte mich rumgeschleudert wie nasse Wäsche.«
    Das Gefühl von Albernheit wich, und ich spürte die Schmerzen. »Ich glaube nicht, dass ich zurückgehen kann, Abraham. Ich bin nicht mal sicher, ob ich es überhaupt
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