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Der Teufel mit den blonden Haaren

Der Teufel mit den blonden Haaren

Titel: Der Teufel mit den blonden Haaren
Autoren: Alexander Borell
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bin der einzige Sohn und Liebling dieses Hauses, darüber hinaus aber auch die einzige Hoffnung und zugleich die einzige Sorge meines Herrn Papas.“
    Gaby gab ihm die linke Hand.
    „Oh?“ machte Toni. „Ein Wehweh an der Rechten? Lassen Sie mal sehen, ich verstehe zwar nichts davon, aber vielleicht werde ich eines Tages Medizin studieren. Ganz geschwollen? Verstaucht?“
    „Ja“, sagte Gaby. „Ich war, ich habe... es war rotes Licht, und ich bin über die Straße gebummelt, ganz in Gedanken, und als ich Ihren Vater mit seinem Wagen kommen sah, habe ich einen Hopser gemacht, bin ausgerutscht und nun habe ich die Bescherung.“
    Die tiefbraunen Augen des Jungen hoben sich, verfingen sich in der schillernden Bläue der Mädchenaugen.
    „Und Sie sind ganz allein, keine Angehörigen? Ist niemand da, der sich um Sie kümmert?“ Er wandte sich, ohne ihre Antwort abzuwarten, seinem Vater zu. „Großartig, Paps, das ist tätige Nächstenliebe. Aber wollen wir nicht endlich hineingehen, ich habe noch schrecklich Lust auf einen Braunen on the rocks. Und zu Gaby gewandt: „Sie auch? Ein Schluck Scotch ist bei geschwollenen Handgelenken immer gut.“
    Gaby warf Tonis Vater einen kurzen Blick zu.
    „Nein danke“, sagte sie, „ich trinke keinen Alkohol.“

    *

    Eine gute Stunde später, es war zwei Uhr morgens geworden, sagte Frau Ingrid zu ihrem Mann durch die angelehnte Badezimmertür:
    „Ein reizendes Mädchen, nicht wahr? So bescheiden, findest du nicht?“
    Und zur gleichen Zeit wischte sich das bescheidene Mädchen unbekümmert mit Sabines blütenweißem Handtuch den roten Lippenstift ab und lächelte sich zufrieden im Spiegel zu.
    Hast du fein gemacht, murmelte sie, ganz große Klasse, und die Idee, diesen Dummkopf glauben zu lassen, er hätte mich angefahren, einfach prima.
    Sie hüpfte in Sabines Bett und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Ihre Blicke wanderten durch das modern eingerichtete Mädchenzimmer, schätzten Wert und Qualität der nordischen, weißen Schleiflackmöbel mit den bunten Stoffbezügen, überflogen die Aquarelle an den Wänden, taxierten die kleinen kosmetischen Dinge auf der Frisiertoilette, blieben an der eingebauten Radio-Fernseh-und-Platten-Kombination hängen...
    Geschafft, dachte sie, ich habe es geschafft! Die große Chance meines Lebens, kein lausiger Bankeinbruch mehr... zuerst der Herr Doktor, dann der Sohn, die Mutter ist sowieso ein Dummchen. Vielleicht den Sohn zuerst, sieht elend gut aus, der Junge... und dann den Alten... oder beide zugleich...
    Mit dem lächelnden Gesicht eines unschuldigen Engels löschte sie das Licht.

II

    Eine Viertelstunde später lag das Haus in tiefer Stille. Gaby schaltete das Licht wieder ein. Sie hatte versucht zu schlafen, aber die Ungewißheit ließ ihr keine Ruhe. Freddy war mit ihrem Mantel und ihrer Handtasche geflüchtet, vielleicht hatte man seinen Wagen schon gefunden, kannte den Inhalt ihrer Handtasche, die Papiere...
    Unten, in der Diele, hatte sie das Telefon stehen sehen. Ob sie es wagen konnte?
    Sie erhob sich leise, warf zur Vorsicht ein Handtuch über die Nachttischlampe, schlich zur Tür, öffnete und lauschte.
    Nichts...
    Sie schlich die Treppe hinunter, eine der Holzstufen knarrte, Gaby blieb eine volle Minute atemlos stehen. Die Glastür nach draußen ließ ein wenig Licht eindringen, der Schnee vor dem Haus reflektierte ein wenig Helligkeit. Da unten auf der alten Barockkonsole stand das Telefon.
    Plötzlich lächelte Gaby. Was sagt man denn, wenn man in einer solchen Situation erwischt wird? In einem fremden Haus? Klar, man hat eine Tür gesucht...
    Sicherer stieg sie die Treppe hinunter und schaltete jetzt sogar das Licht in der Diele ein.
    Das Schnurren der Wählscheibe klang überlaut. Gaby war entschlossen, sich auf ihr Glück zu verlassen, es würde ihr schon die richtige Ausrede einfallen, wenn jemand sie überraschen würde.
    Es meldete sich eine dunkle, rauhe Männerstimme. Gaby legte die Hand um die Sprechmuschel.
    „Hallo Otto, weißt du schon was von Freddy?“
    Die rauhe Stimme klang drohend.
    „Das heißt also, daß es schiefgegangen ist, was?“
    „Ja, klar, was denn sonst? War Freddy noch nicht bei dir? Verdammt noch mal, er ist getürmt und hat meinen Mantel und meine Handtasche mit meinen Papieren im Wagen. Wenn er geschnappt wird, bin ich auch geliefert. Wenn er bei dir aufkreuzt, dann nimm sofort meine Sachen an dich, ich hole sie gelegentlich ab.“
    „Wo steckst du denn?“
    Gaby
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