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Der Teufel mit den blonden Haaren

Der Teufel mit den blonden Haaren

Titel: Der Teufel mit den blonden Haaren
Autoren: Alexander Borell
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Licht des Armaturenbretts schimmerte auf dem weißen Atlas des Abendkleides seiner Frau, sie hatte den Nerz nur lose um die nackten Schultern gelegt.
    „War nett, nicht?“ sagte sie leise.
    „Sehr nett“, antwortete er lächelnd. „Besonders, wenn man bedenkt, daß es lauter Juristen waren.“
    Eine kleine Feier, ihm zu Ehren, im engsten Freundeskreis. Vor drei Wochen war Dr. Harald Mercker vorzeitig und überraschend zum Landgerichtsdirektor befördert worden. Er war einundfünfzig und hatte eine rasche Karriere gemacht. Er stammte aus einem begüterten Hause, hatte Ingrid vor dreiundzwanzig Jahren geheiratet, Ingrid Kopp von den Kopp-Werken im Rheinland. Beruflich ohne eigentlichen Ehrgeiz, war Dr. Mercker doch darauf bedacht gewesen, vorwärtszukommen. Zuletzt war er Vorsitzender einer Verkehrskammer gewesen, das heißt, er war es zunächst noch geblieben, und es war ihm ziemlich gleichgültig, was man weiter mit ihm vorhatte.
    Sein wirkliches Interesse galt seinem schönen, alten Bauernhof, eine halbe Fahrstunde südlich von München inmitten Wiesen und Wäldern gelegen. Äußerlich hatten die Merckers den Hof unverändert gelassen, ihn aber innen behaglich und modern ausgebaut. Im Stall standen zwei Reitpferde, die Dr. Mercker ursprünglich für sich und seine Frau angeschafft hatte, die aber längst nur noch von seinen beiden Kindern geritten wurden.
    Ingrid Mercker, sechs Jahre jünger als ihr Mann, hatte sich eine eigenartige Mädchenhaftigkeit bewahrt und stand vielen Fragen des Lebens geradezu naiv gegenüber. Auch ihr war die berufliche Karriere ihres Mannes innerlich gleichgültig, sie liebte ihn und hatte ihn in jedem anderen Beruf genauso geliebt, er erschien ihr überlegen, sehr stark und männlich, und mehr wollte sie nicht. Die Ehe der Merckers war glücklich, auch noch nach dreiundzwanzig Jahren.
    Die letzten Häuser am Stadtrand.
    Es duftete in dem schweren Wagen nach echtem Lederpolster, nach kostbarem Parfüm und ein wenig nach kaltem Rauch.
    Ingrid griff nach einer Zigarette, ihr Mann gab ihr Feuer, und in diesem Augenblick geschah es...
    Eine Kurve.
    Eigentlich eine ganz sanfte Rechtskurve, kaum der Rede wert. Links und rechts Alleebäume, ein Schneewall dazwischen.
    Und ein Mädchen im Scheinwerferlicht.
    „Hol’s der Teufel, das ist…“
    Ein unterdrückter Aufschrei der Frau.
    „Harald! So gib doch acht!“
    Es war zu spät. Der schwere Wagen stellte sich quer, rutschte ein Stück, drehte sich langsam um sich selbst, schlitterte rückwärts weiter und blieb in dem Schneewall, nur eine Handbreit von dem Baum entfernt, stehen.
    „Uff“, sagte Dr. Mercker, „das hätte leicht ins Auge gehen können.“ Er griff nach der Tür. „Hast du das Mädchen gesehen? Es hat so ausgesehen, als wollte es mir direkt in den Wagen laufen. Außerdem war sie auf der falschen Seite.“
    Er stieg aus, bereit, das Mädchen scharf anzufauchen.
    Gaby sah den Mann im Smoking, von den Hecklichtern des gepflegten schwarzen Wagens beleuchtet, auf sich zukommen. Sie schloß die Augen halb. Der Mann machte kehrt, rief etwas in den Wagen, und dann kam eine Frau heraus mit einer Taschenlampe. Sie ging trippelnd mit hohen Silbersandaletten auf dem Glatteis, der eisige Wind zerrte an ihrem langen Abendkleid, sie hielt den Nerzmantel mit einer Hand über der Brust zusammen.
    Genau richtig, dachte Gaby, das war genau richtig, die haben Geld...
    Sie schloß fest die Augen.
    „Gib mal die Lampe“, sagte Dr. Mercker, beugte sich zu dem Mädchen hinunter und leuchtete ihm ins Gesicht. „Ich kann das überhaupt nicht begreifen, so nah war ich ihr doch gar nicht... was machen wir denn nur?“
    Das Mädchen stöhnte.
    „Wir müssen ihr helfen, Harald! Sie kann doch nicht... sie hat nicht einmal einen Mantel! Du hättest vorsichtiger...“
    „Unsinn“, unterbrach er sie rauher, als er es wollte. Dieser verdammte letzte Kognak, er hatte ihn noch auf der Zunge und sicherlich auch im Atem...“
    „Ich kann sie gar nicht...“ Sein unfallgeschultes Hirn arbeitete. Daß man sich so täuschen konnte? Er hätte geschworen, daß dieses Mädchen viel zu weit entfernt gewesen war...
    Das Mädchen richtete sich stöhnend ein wenig auf.
    Dr. Mercker schaute über die Schulter zur Stadt zurück. Es war ihm, als tauchten dort Lichter auf. Ein Autofahrer würde halten, Fragen stellen, höchst unangenehme Fragen.
    Ingrid hatte sich zu dem Mädchen hinuntergebeugt.
    „Haben Sie arge Schmerzen?“
    Das Mädchen öffnete die Augen,
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