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Der Teufel mit den blonden Haaren

Der Teufel mit den blonden Haaren

Titel: Der Teufel mit den blonden Haaren
Autoren: Alexander Borell
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des Mädchens wurden scharf und wachsam.
    „Nicht? Warum denn nicht? Habe ich was Besonderes an mir?“
    Frau Ingrid kicherte ein wenig.
    „Ich dachte... bitte nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich dachte ehe... nun ja, ich dachte mehr an Fotomodell oder Mannequin, wissen Sie.“
    Das Gesicht des Mädchens entspannte sich.
    „Vielen Dank für das Kompliment, gnädige Frau. Nein, ich arbeite als ganz gewöhnliche Stenotypistin.“
    Und während sich Gaby überlegte, in welcher Firma sie arbeiten könnte, wenn man sie danach fragte, rollte der Wagen des Landgerichtsdirektors langsam auf der vereisten Straße weiter, dem Hause „Sonneck“ zu, das einsam inmitten Wiesen und Wälder lag.

    *

    „Aber Sie kennen diesen Burschen doch, der Ihren Mantel und Ihre Handtasche hat?“ fragte Dr. Mercker, während er seine Frau und Gaby in die alte und breite, gemauerte Diele eintreten ließ.
    „Ja, natürlich“, sagte Gaby und warf einen kurzen, prüfenden Blick in den zarten, goldgerahmten Barockspiegel an der rauh verputzten, weiß gekalkten Wand. „Ja, natürlich kenne ich ihn. Oder glauben Sie, ich würde mit einem Unbekannten fahren?“
    Frau Ingrid nahm das Mädchen behutsam an der linken Hand.
    „So hat mein Mann das ja nicht gemeint, Fräulein Gabriele. Jetzt machen wir zuerst einmal einen Umschlag, ich habe essigsaure Tonerde im Haus, und dann... Harald, wie denkst du über ein Täßchen Kaffee, das würde uns doch allen guttun.“ Ihr besorgter Blick umfing das hübsche, jetzt etwas blasse Mädchen. „Oder haben Sie Hunger, wollen Sie eine Kleinigkeit essen?“
    Gabys Augen hatten in dieser Diele längst alles erspäht, was es zu erspähen gab: den schweren Orientteppich auf dem rohen Fliesenboden, die alte Kommode unter dem wertvollen Spiegel, die Ölgemälde gegenüber an der Wand, das schwer und reich geschnitzte Treppengeländer und den dicken Plüschläufer auf der Treppe. Sie mußte sich zusammennehmen, um nicht allzu befriedigt auszusehen. Ihr Entschluß stand längst fest: dieses Haus würde sie sobald nicht wieder verlassen.
    „Hunger?“ fragte sie gedehnt. „Nein, gnädige Frau, ich habe keinen Hunger. Aber eine Tasse Kaffee wäre herrlich.“
    Frau Ingrid lächelte.
    „Sagen Sie nicht gnädige Frau zu mir, sagen Sie ganz einfach Frau Mercker. — Harald, nimm doch inzwischen Fräulein Gabriele mit ins Wohnzimmer, ich richte alles, was ich für den Umschlag brauche. Ich setze nur noch vorher das Kaffeewasser auf“ — und zu Gaby fuhr sie fort: „Wir haben nämlich hier draußen kein ständiges Mädchen, nur eine Zugehfrau, die jeden Tag kommt.“
    Von draußen her drang das laute Brummen eines Automotors in die Diele. Sekundenlang war es totenstill, nur das Ticken der alten holländischen Standuhr am Ende der Diele unterbrach diese Stille in monotonem Rhythmus.
    Unmöglich, dachte Dr. Mercker erstarrt, ganz unmöglich... es kann keine Polizei sein, es hat doch niemand was davon gemerkt...
    Unmöglich, dachte Gaby, es kann unmöglich die Polizei sein, so rasch würden sie doch niemals auf meine Spur kommen...
    „Toni!“ rief Frau Ingrid freudig. „Toni kommt schon nach Hause. Heute ist er aber ausnahmsweise früh dran.“ Zu Gaby gewandt fuhr sie fort: „Toni ist mein Sohn. Er ist zwanzig, und wir lassen ihm ein wenig Freiheit.“ Sie musterte Gaby ungeniert. „Sie dürften auch so um die zwanzig sein, habe ich recht? Ach was, ich plappere und plappere, und Sie kommen fast um vor Schmerzen, entschuldigen Sie mich. — Harald, du machst bitte Fräulein Gabriele mit Toni bekannt, ja? Und vielleicht mögt ihr noch einen Schluck vor dem Kaffee — du weißt ja, wo die Gläser sind.“
    Dr. Mercker und Gaby schauten der kleinen, zierlichen Frau nach, die in der Küche verschwand. Dann kreuzten sich ihre Blicke, blieben sekundenlang ineinander hängen.
    Ein verdammt hübsches, kleines Luder, dachte Dr. Mercker...
    Er ist gefährlich, dachte Gaby, man kann ihm so leicht nichts vormachen, aber ich werde doch mit ihm fertig, er hat was in seinen Augen, ich kenne das, das haben viele verheiratete Männer, wenn sie mich sehen...
    Die Tür ging auf, ein junger Mann mit einer blonden Haartolle in der Stirn kam herein. Er trug abgeschabte Cordhosen und einen flaschengrünen Rollkragenpulli.
    „Hallo!“ rief er. „Servus Paps! Besuch? Und noch dazu einen so attraktiven? Wie fein, daß ich so früh gekommen bin, es war ohnedies fade heute abend.“ Er streckte Gaby die Hand hin. „Ich heiße Anton,
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