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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit
Autoren: Christian Jacq
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zur großen königlichen Gemahlin geboren.»
    «Ramses hat sich anders entschieden.»
    «Und wenn er nichts mehr zu entscheiden hätte?»
    «Was willst du damit sagen?»
    «Mein Bruder verfügt immerhin über einen gesunden Menschenverstand. Er hat begriffen, daß es seine Fähigkeiten übersteigen würde, über Ägypten zu herrschen.»
    «Heißt das…»
    «Das heißt, daß ich zum Wohl unseres Landes diese schwierige Aufgabe übernehme und du die Königin der Beiden Länder wirst.»
    «Ramses hat dem Thron bestimmt nicht entsagt, du lügst!»
    «Aber nein, liebliche und schöne Freundin! Er bereitet sich auf eine lange Reise in Gesellschaft des Menelaos vor und hat mich aus Ehrfurcht vor dem unauslöschlichen Ruhm unseres Vaters gebeten, Sethos’ Nachfolge anzutreten. Sobald mein Bruder zurückkehrt, werden ihm alle Vorrechte zuteil, die seinem Stand gebühren, dessen kannst du dir ganz sicher sein.»
    «Hat er… von mir gesprochen?»
    «Ich fürchte, er hat dich ebenso vergessen wie seinen Sohn. Ihn zieht es nur mit aller Macht in die weite Ferne.»
    «Nimmt er Nefertari mit?»
    «Nein, er dürstet danach, andere Frauen zu entdecken. Ist mein Bruder in seinem Vergnügen nicht unersättlich?»
    Iset, die Schöne, schien ratlos zu sein. Chenar hätte gern nach ihrer Hand gegriffen, doch das war zu früh. Falls er etwas überstürzte, würde sie ihn abweisen. Zunächst mußte er die junge Frau in Sicherheit wiegen, danach konnte er sie mit Sanftmut und Überredungskunst erobern.
    «Der kleine Kha wird die beste Erziehung genießen», versprach er, «und du brauchst dir um ihn keine Sorgen mehr zu machen. Sobald Sethos in seinem Grab liegt, kehren wir gemeinsam nach Memphis zurück.»
    «Ist… ist Ramses dann schon fort?»
    «Ja, sicher.»
    «Wird er denn an der Beisetzung nicht teilnehmen?»
    «Ich bedaure das, aber so ist es. Menelaos ist nicht gewillt, seine Abreise noch länger zu verschieben. Iset, vergiß Ramses und bereite dich darauf vor, Königin zu werden!»
     

FÜNF
     
     
    ISET VERBRACHTE EINE schlaflose Nacht. Chenar hatte bestimmt gelogen. Nie und nimmer würde Ramses Ägypten aus freien Stücken verlassen, um sich auf einer Reise in fremde Länder zu zerstreuen. Falls er bei Sethos’ Bestattung nicht anwesend war, dann geschah das gegen seinen Willen.
    Gewiß, Ramses behandelte sie grausam, doch sie würde ihn nicht verraten, indem sie sich Chenar in die Arme warf. Iset verspürte keinerlei Verlangen danach, Königin zu werden, und sie verabscheute diesen mondgesichtigen Ehrgeizling mit seinem salbungsvollen Gerede, der sich seines Sieges so sicher wähnte.
    Ihr war klar, was sie zu tun hatte. Sie mußte Ramses vor der Verschwörung warnen, die sich gegen ihn zusammenbraute, und vor den bösen Absichten, die sein älterer Bruder im Schilde führte.
    Auf einem Papyrus verfaßte sie einen langen Brief, in dem sie ausführlich berichtete, was Chenar ihr gesagt hatte, dann ließ sie den Vorsteher der königlichen Boten rufen, deren Aufgabe es war, Schriftstücke nach Memphis zu befördern.
    «Diese Nachricht ist wichtig und dringend.»
    «Ich werde mich darum kümmern», versicherte der Beamte.
    Wie in Memphis regte sich während der Trauerzeit auch im Hafen von Theben nur sehr wenig. An der Anlegestelle für die in Richtung Norden fahrenden Schnellboote dösten die Soldaten vor sich hin. Der Vorsteher der königlichen Boten wandte sich an einen der Schiffer.
    «Mach die Leinen los, wir laufen aus.»
    «Das geht nicht.»
    «Warum nicht?»
    «Weil der Oberpriester von Karnak es so angeordnet hat.»
    «Davon habe ich nichts gehört.»
    «Der Befehl ist soeben erteilt worden.»
    «Mach trotzdem die Leinen los, denn ich habe eine wichtige Nachricht für den königlichen Palast von Memphis!»
    Ein Mann erschien an Deck des Bootes, das der Beamte gerade anheuern wollte.
    «Befehl ist Befehl», erklärte er, «und du mußt dich daran halten.»
    «Wer bist du, daß du in diesem Ton mit mir sprichst?»
    «Chenar, der ältere Sohn des Pharaos.»
    Der Vorsteher der königlichen Boten verneigte sich.
    «Verzeih mir meine Dreistigkeit!»
    «Ich bin geneigt, sie zu vergessen, wenn du mir die Nachricht übergibst, die Iset, die Schöne, dir anvertraut hat.»
    «Aber…»
    «Sie ist doch für den königlichen Palast in Memphis bestimmt?»
    «Ja, für deinen Bruder Ramses.»
    «Ich reise gleich ab und fahre direkt zu ihm. Oder befürchtest du etwa, ich sei kein geeigneter Bote?»
    Der Beamte überreichte Chenar den
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