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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit
Autoren: Christian Jacq
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hielt den Atem an. Wie von Sinnen stürzte er sich auf den schlafenden Mann und stach auf dessen Hals ein.
    Da dröhnte hinter ihm eine tiefe Stimme.
    «Stramme Leistung, für einen Feigling!»
    Der Grieche fuhr herum.
    «Du hast eine Puppe aus Stroh und Stoff erstochen», höhnte Serramanna. «Weil ich auf einen solchen Überfall gefaßt war, habe ich die Atemzüge eines Schlafenden nachgemacht.»
    Der Mann des Menelaos umklammerte den Griff seines Dolchs.
    «Laß das Ding fallen!» forderte Serramanna ihn auf.
    «Ich werde dir trotzdem die Kehle durchschneiden.»
    «Versuch es!»
    Der Vorsteher der Leibwache überragte den Griechen um drei Haupteslängen.
    Ohne ihn zu treffen, schwirrte der Dolch durch die Luft, denn trotz seiner Größe und seines Gewichts bewegte sich der Sarde überraschend behende.
    «Du weißt ja nicht einmal, wie man richtig kämpft», spottete er.
    In seiner Ehre gekränkt, versuchte der Grieche ihn zu täuschen: ein Schritt zur Seite, dann ein Sprung nach vorn, die Dolchspitze auf den Bauch des Gegners gerichtet.
    Mit einem Kantenhieb seiner Rechten brach der Sarde ihm das Handgelenk, und mit der linken Faust zertrümmerte er ihm die Schläfe. Dem Griechen rutschte die Zunge aus dem Mund und sein Blick wurde glasig, dann sackte er zusammen. Er war bereits tot, noch ehe er auf dem Boden aufschlug.
    «Ein Feigling weniger», brummte Serramanna.
    Aus dem Schlaf geschreckt, erfuhr Ramses von den zwei gescheiterten Anschlägen, die auf ihn verübt werden sollten. Im Garten waren drei Griechen unter den Krallen seines Löwen ums Leben gekommen, und im Flur vor seinen Gemächern hatte ein weiterer Grieche, ein Mitglied seiner Leibwache, den Tod erlitten.
    «Man wollte dich umbringen», behauptete Serramanna.
    «Hat der Mann noch etwas ausgesagt?»
    «Ich habe keine Zeit gehabt, ihn zu fragen. Doch beklage diesen Kümmerling nicht, er war als Krieger vollkommen unfähig.»
    «Gehörten diese Griechen nicht zum Gefolge des Menelaos?»
    «Dieser Tyrann ist mir zuwider. Gestatte mir, mich in einem Zweikampf mit ihm zu messen, und ich befördere ihn in die Unterwelt, vor der er solche Angst hat, weil es dort von Geistern und entmutigten Helden nur so wimmelt.»
    «Gib dich zunächst damit zufrieden, die Wachen zu verdoppeln.»
    «Dich bloß zu verteidigen ist der falsche Weg, mein Prinz, wenn du dein Ziel wirklich erreichen willst. Nur der Angriff führt zum Sieg.»
    «Dennoch müssen wir erst herausfinden, wer der Feind ist.»
    «Menelaos und seine Griechen! Alles Lügner und Schurken. Jage sie so schnell wie möglich aus dem Land, sonst versuchen sie es noch einmal!»
    Ramses legte Serramanna eine Hand auf die Schulter.
    «Was habe ich schon zu befürchten, solange du mir die Treue hältst?»
    Den Rest der Nacht verbrachte Ramses im Garten, bei seinem Löwen und seinem Hund. Die Raubkatze war eingeschlafen, und auch Wächter döste vor sich hin. Der Sohn des Sethos hatte von einer friedliebenden Welt geträumt, doch der menschliche Unverstand schändete sogar die Zeit der Einbalsamierung des verstorbenen Pharaos.
    Moses hatte recht gehabt: Durch Nachsicht mit seinen Feinden setzte man der Gewalt kein Ende. Im Gegenteil, damit bestärkte man sie nur in ihrer Gewißheit, sie hätten es mit einem Schwächling zu tun, der leicht zu bezwingen sei.
    Im Morgengrauen überwand Ramses seinen Schmerz, der ihm den Blick getrübt hatte. Selbst wenn Sethos unersetzlich blieb, mußte er sich dennoch an die Arbeit machen.
     

SECHS
     
     
    IM ÄGYPTEN zu Sethos’ Zeiten oblag es den Tempeln, die ihnen überlassenen Nahrungsmittel und sonstigen Erzeugnisse wieder zu verteilen. Seit den Anfängen der pharaonischen Kultur geboten die Gesetze der Maat, jener zierlichen Göttin der Gerechtigkeit und Wahrheit, daß es keinem Kind des von den Göttern gesegneten Landes an etwas mangeln durfte. Wie könnte man je ein Fest feiern, wenn auch nur ein einziger Magen Hunger litt?
    Im ägyptischen Staatsschiff war der Pharao das Steuerruder, das die Richtung bestimmte, und zugleich der Kapitän, der dafür sorgte, daß die Mannschaft zusammenhielt. Er mußte den Gemeinschaftssinn wecken und fördern, ohne den eine Gesellschaft sich spaltet und an ihren inneren Wirren zugrunde geht.
    Obwohl der Warenumlauf im wesentlichen von einem Heer von Schreibern gewährleistet wurde, deren Sachkenntnis einen der Schlüssel zum ägyptischen Wohlstand darstellte, gab es auch unabhängige Kaufleute, die eng mit den Tempeln
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