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GK0034 - Friedhof der Vampire

GK0034 - Friedhof der Vampire

Titel: GK0034 - Friedhof der Vampire
Autoren: Jason Dark
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Plötzlich war das Bild verschwunden.
    John Sinclair spürte, daß er schweißnaß war. Mit dem Handrücken wischte er sich über die Stirn. Er hob den Kopf und sah der alten Zigeunerin in die Augen.
    »Manchmal ist es nicht gut, wenn man die Zukunft kennt«, sagte die Wahrsagerin leise. »Aber die Menschen, die zu mir kommen, wollen einen Blick in die Zukunft werfen. Und deshalb darf sich niemand hinterher beschweren.«
    »Das hatte ich auch nicht vor«, erwiderte John. »Ich bin sogar froh, daß ich gesehen habe, was mich erwartet. So kann ich mich besser darauf einstellen.«
    »Seinem Schicksal kann keiner entgehen«, bemerkte die Alte düster.
    John kniff die Augen zusammen und starrte die Wahrsagerin an. »Woher haben Sie die Kunst, in die Zukunft zu sehen?«
    Die Alte lächelte geheimnisvoll. »Dies zu verraten, das wäre mein Tod. Auch einem Inspektor von Scotland Yard kann ich es nicht sagen.«
    »Das wissen Sie also auch schon.«
    »Mir bleibt nichts verborgen.«
    John beschloß, seinen Besuch hier abzubrechen. »Was habe ich zu zahlen?«
    »Nichts.«
    »Warum nicht?«
    »Ich will einem Todgeweihten nicht noch Geld abnehmen«, sagte die Alte mit dunkler Stimme. »Das, was Sie in der Kugel gesehen haben, wird in spätestens einem Jahr geschehen. Nutzen Sie diese Zeit. Machen Sie Urlaub, tun Sie etwas, was Ihnen Spaß macht, denn bald wird Sie der Tod holen.«
    »Da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden«, erwiderte John leichthin.
    Er nickte der Alten zu und verließ das kleine Steinhaus.
    Draußen empfing ihn das lärmende Treiben des Jahrmarktes. John zündete sich eine Zigarette an und schüttelte den Kopf. Es war schon eine Schnapsidee von ihm gewesen, so mir nichts, dir nichts die Wahrsagerin zu besuchen. Seit Tagen gab es in London nur einen Gesprächsstoff. Eben diese Alte. Da war es ganz natürlich, daß sich John Sinclair, der schon von Berufs wegen mit rätselhaften Kriminalfällen zu tun hatte, sich diese Sache einmal ansah.
    Als John Sinclair seinen Bentley erreichte, hatte er die Sache schon wieder vergessen.
    Jedoch sollte er schon bald sehr deutlich daran erinnert werden…
    ***
    »Wann sind wir eigentlich in Bradbury?« fragte Charles Mannering den Zugschaffner, der müde durch die fast leeren Wagen schlich.
    Der Schaffner kramte umständlich eine Nickelbrille aus der Tasche, klemmte sie sich auf die Nase und suchte in dem Fahrplan herum.
    »In genau 16 Minuten«, erwiderte er nach einer Weile.
    »Danke sehr.«
    Der Schaffner verzog sich.
    Charles Mannering blickte aus dem Fenster. Wo er hinsah – nur öde, trostlose Sumpflandschaft. Jetzt, bei Beginn der Dämmerung, sah alles noch schlimmer aus. Die kahlen Äste der Krüppelbäume wirkten wie Totenfinger, die anklagend gegen den wolkenverhangenen Himmel wiesen.
    Nebel kam auf. In Schwaden zog er über den Boden, machte den Sumpf noch unsichtbarer.
    Charles Mannering saß ganz allein in dem Wagen. Er hatte das Gefühl, als einziger Reisender in dem Bummelzug zu hocken, der noch von einer alten Dampflok ächzend durch die Landschaft gezogen wurde.
    Mannering war Künstler. Er hatte sich der naiven Malerei verschrieben und malte hauptsächlich Landschaften. Er hatte schon auf mancher Ausstellung einen Preis erzielt und konnte auch von seinen Bildern einigermaßen leben.
    Mannering trug einen Kordanzug und ein kariertes Hemd. Er hatte dunkelbraunes Haar, das bis über die Ohren reichte. Auf seiner Oberlippe wuchs ein buschiger Bart, den Charles Mannering immer sorgfältig pflegte.
    Der Zug verlangsamte seine Geschwindigkeit. Die ersten Häuser von Bradbury huschten an den Fenstern vorüber.
    Dann hielt die altersschwache Lok schnaufend auf dem kleinen Bahnhof.
    Der Maler holte seinen Koffer aus dem Gepäcknetz und stieg aus. Eine Minute später fuhr der Zug weiter.
    Charles Mannering blieb auf dem menschenleeren Bahnsteig zurück. Langsam wandte der Maler den Kopf. Wo er hinsah, Nebel. Er hatte sich noch mehr verdichtet.
    Charles Mannering fröstelte. Er nahm seinen Koffer und betrat das aus Holz gebaute Bahnhofsgebäude.
    Eine grüngestrichene Bank und ein Fahrkartenautomat war alles, was der Maler entdeckte.
    Vor dem Schalter hing das Schild »Geschlossen«.
    Charles zuckte die Achseln und verließ auf der anderen Seite das Bahnhofsgebäude.
    Bradbury war ein abgeschiedenes Dorf. Niedrige, windschiefe Häuser standen links und rechts neben der Hauptstraße. Aus einigen Fenstern fiel schwacher Lichtschein nach draußen.
    Charles Mannering
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