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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit
Autoren: Christian Jacq
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Schatten des Vaters zu leben, seine Weisungen zu befolgen und auch der nichtigsten seiner Aufforderungen nachzukommen. Wie wunderbar es war, auf eine führende Hand zu vertrauen, die ihm den Weg wies! Er konnte nach Sethos’ Befehlen handeln, dabei Ägypten dienen, indem er dem Pharao gehorchte, und er erhielt von ihm stets Antworten auf all seine Fragen… Diese Stütze war nun für immer entschwunden.
    Und das Schicksal erdreistete sich, von ihm, Ramses, einem ungestümen jungen Mann, zu fordern, daß er den Platz des verstorbenen Königs einnahm!
    Täte er nicht besser daran, lauthals lachend in die Wüste zu fliehen, so weit, daß niemand ihn finden würde?
    Gewiß, er konnte sich auf seine Verbündeten verlassen: auf seine Mutter Tuja, die ihm unbeirrbar und treu zur Seite stand; auf seine Gemahlin, die so schöne und stille Nefertari; und auch auf seine Freunde aus der Kindheit, den Hebräer Moses, der Aufseher über die königlichen Bauarbeiten geworden war, den Gesandten Acha, den Schlangenbändiger Setaou und auf Ameni, seinen Obersten Schreiber, der sein eigenes Los mit dem von Ramses verband.
    Nur, würde die Schar seiner Feinde nicht mächtiger sein? Chenar fand sich bestimmt nicht damit ab, auf den Thron zu verzichten. Welche geheimen Bündnisse mochte er geschlossen haben, um zu verhindern, daß sein Bruder über das Land herrschte? Wäre Chenar in diesem Augenblick vor ihn hingetreten, hätte Ramses ihm keinerlei Widerstand entgegengesetzt. Da er die Doppelkrone so sehr begehrte, sollte er sich doch ihrer bemächtigen!
    Aber durfte Ramses seinen Vater verraten und sich der Bürde entziehen, die er ihm auferlegt hatte? Es wäre so leicht, sich vorzugaukeln, Sethos habe sich geirrt oder hätte seine Meinung noch ändern können… Nein, er würde sich nicht selbst belügen. Sein Schicksal hing von der Antwort des unsichtbaren Gottes ab.
    Hier, mitten in der Wüste, in dieser unheildräuenden roten Erde, sollte sie ihm zuteil werden.
    Die Augen gen Himmel gewandt, saß Ramses in der Haltung eines Schreibers da und wartete. Ein Pharao mußte ein Mann der Wüste sein. Mochte das in den Steinen und im Sand verborgene Feuer seine Seele stärken oder ihn verderben. Es sollte sein Urteil sprechen.
    Die Sonne näherte sich ihrem höchsten Stand, der Wind legte sich. Da jagte eine Gazelle über die Dünen. Wie aus dem Nichts entstanden, drohte von irgendwoher Gefahr, war unversehens spürbar.
    Ein gewaltiger Löwe tauchte auf, mindestens acht Ellen lang und gewiß so schwer wie mehrere Scheffel Getreide! Seine flammende Mähne verlieh ihm das Aussehen eines siegreichen Kriegers, dessen muskulöser Körper sich geschmeidig bewegte.
    Als er Ramses entdeckte, stieß er ein furchterregendes Gebrüll aus, das in einem Umkreis von etlichen Meilen zu hören war. Die große Raubkatze mit dem beängstigenden Gebiß und den scharfen Krallen blickte unverwandt auf ihre Beute.
    Der junge Mann hatte keinerlei Möglichkeit, ihr zu entrinnen.
    Sie kam näher und blieb erst kurz vor Sethos’ Sohn stehen. Eine Weile starrten sie einander an.
    Mit seinem Schweif verscheuchte das Tier eine Fliege, dann kam es, plötzlich unruhig geworden, noch näher.
    Ramses erhob sich und hielt seinem Blick stand.
    «Das bist ja du, Schlächter, mein Löwe! Du also, den ich vor dem sicheren Tod bewahrt habe! Was hast du nun mit mir vor?»
    Einen Moment lang vergaß Ramses die Gefahr und sah wieder das Löwenjunge vor sich, das einst in einem Gestrüpp der nubischen Steppe zu verenden drohte. Nach dem Biß einer Schlange hatte es unglaubliche Widerstandskraft bewiesen, ehe es dank der Heilmittel Setaous genas und zu einer Riesenkatze heranwuchs, der Ramses den Namen «Schlächter» gegeben hatte.
    Der Löwe war zum erstenmal aus dem Gehege ausgebrochen, in das man ihn während der Abwesenheit des Prinzen einschloß. Hatte das Raubtier in ihm wieder die Oberhand gewonnen, so daß er nun blutgierig und erbarmungslos den Mann anfallen würde, den er immerhin eine Zeitlang als seinen Herrn anerkannt hatte?
    «Entscheide dich, Schlächter! Entweder du wirst mein lebenslanger Verbündeter, oder du gibst mir den Tod.»
    Da richtete sich der Löwe auf und legte Ramses die Vorderpranken auf die Schultern. Er versetzte ihm damit zwar einen heftigen Schlag, doch der Prinz wankte nicht. Die Krallen blieben eingezogen, während die Schnauze der Raubkatze die Nase des jungen Mannes beschnüffelte.
    Zwischen ihnen bestand Freundschaft, Vertrauen und
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