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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit
Autoren: Christian Jacq
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gegenseitige Achtung.
    «Du hast mein Schicksal bestimmt.»
    Von nun an hatte Ramses, dem Sethos den Namen «Sohn des Lichts» verliehen hatte, keine andere Wahl mehr.
    Er würde kämpfen wie ein Löwe.
     

ZWEI
     
     
    IM PALAST VON Memphis herrschte große Trauer. Die Männer rasierten sich nicht mehr, die Frauen trugen ihr Haar offen. Während der siebzig Tage, die Sethos’ Einbalsamierung in Anspruch nahm, würde Ägypten, so gut es eben ging, ohne Pharao überdauern müssen. Der König war tot, der Thron blieb leer, bis der Nachfolger offiziell verkündet wurde, was erst geschehen konnte, wenn Sethos beigesetzt war und sich mit dem Licht des Himmels vereint hatte.
    Auf Anweisung des Regenten und der großen königlichen Gemahlin Tuja waren die Grenzposten zur Wachsamkeit aufgerufen und die Truppen dazu angehalten worden, mögliche Eindringlinge aus den Fremdländern abzuwehren. Obgleich von den Hethitern im Augenblick keine unmittelbare Gefahr auszugehen schien, so konnte dennoch ein Überfall nicht ausgeschlossen werden. Seit Jahrhunderten galten die reichen Provinzen des Deltas, in denen Ackerbau und Viehzucht betrieben wurde, als verlockende Beute für die «Männer des Sandes», für die Beduinen des Sinai, und bisweilen schlössen sich die Fürsten des Morgenlandes zusammen, um den Nordosten Ägyptens anzugreifen.
    Sethos’ Aufbruch ms Jenseits hatte Angst ausgelöst. Wenn ein Pharao das Diesseits verließ, drohten die Mächte des Chaos über Ägypten hereinzubrechen und eine von Dynastie zu Dynastie gewachsene Kultur zu zerstören. Würde der junge Ramses dazu imstande sein, die Beiden Länder, das Niltal im Süden und das Delta im Norden, vor Unheil zu bewahren? Die Männer von höchstem Rang setzten keinerlei Vertrauen in ihn und hätten es gern gesehen, wenn er seinem gewandteren und weniger aufbrausenden Bruder Chenar gewichen wäre.
    Die große königliche Gemahlin Tuja hatte seit dem Tod ihres Gemahls ihre Gewohnheiten nicht geändert. Erst zweiundvierzig Jahre alt, eine erhabene Erscheinung von sehr schlankem Wuchs mit edler und gerader Nase, mit großen, mandelförmigen Augen, die streng und durchdringend blickten, und mit einem beinahe kantigen Kinn, erfreute sie sich ungeteilter Achtung. Stets hatte sie Sethos zur Seite gestanden. Wenn der Pharao außer Landes weilte, hatte sie während seiner Abwesenheit Ägypten mit eiserner Hand regiert.
    Kaum daß der Morgen zu dämmern begann, erging sich Tuja gern ein wenig in ihrem Garten voller Tamarisken und Sykomoren. Dabei plante sie ihren Arbeitstag, in dessen Verlauf Zusammenkünfte mit weltlichen Würdenträgern und Rituale zu Ehren der Götter einander abwechselten.
    Seit Sethos’ Tod erschien ihr selbst der kleinste Handgriff jeden Sinns beraubt. Tuja wünschte sich nur noch, so schnell wie möglich ihrem Gemahl zu folgen - in eine Welt ohne Zwist, fernab vom Getümmel der Menschen, doch sie konnte sich der Last der Jahre, die das Schicksal ihr noch auferlegte, nicht entziehen. Schließlich mußte sie ihrem Land von dem Glück, das ihr zuteil geworden war, etwas zurückerstatten, indem sie ihm bis zu ihrem letzten Atemzug diente.
    Aus dem morgendlichen Dunst tauchte Nefertaris elegante Gestalt auf. «Schöner als die Schönen des Palastes», wie das Volk von ihr zu sagen pflegte, hatte Ramses’ Gemahlin glänzend schwarzes Haar und blaugrüne Augen, die unglaubliche Sanftmut ausstrahlten. Als ehemalige Musikantin im Tempel der Göttin Hathor in Memphis und Leinenweberin von beachtlichem Geschick war Nefertari zwar im Geiste der alten Gelehrten wie etwa des Weisen Ptah-hotep erzogen worden, entstammte jedoch keiner Adelsfamilie. Dennoch hatte sich Ramses unsterblich in sie verliebt, in ihre Schönheit, ihren Scharfsinn und in ihre für eine noch so junge Frau erstaunliche Reife. Obwohl Nefertari nicht danach trachtete zu gefallen, wirkte sie verführerischer als jede andere. Tuja hatte sie zur Vorsteherin ihres Hausstandes erkoren, und diese Stellung behielt sie auch als Gemahlin des Regenten bei. Zwischen der Königin von Ägypten und Nefertari war echte Freundschaft, eine nahezu verschwörerische Gemeinschaft entstanden. Die beiden verstanden einander ohne große Worte.
    «Wieviel Tau heute morgen liegt, Majestät! Wer könnte je die verschwenderische Fülle besingen, die unser Land uns beschert?»
    «Warum stehst du so früh auf, Nefertari?»
    «Du hättest die Ruhe doch nötiger, meinst du nicht?»
    «Ich finde keinen Schlaf
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