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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch
Autoren: Elly Griffiths
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    Prolog
    31 . Oktober 2009
     
    Der Sarg verstößt gegen jede Gesundheits- und Sicherheitsvorschrift. Er nimmt die ganze Eingangshalle ein und versperrt die Sicht auf den ausgestopften Alk, die Karte von King’s Lynn aus dem 19 . Jahrhundert sowie das recht verschmutzte Ölgemälde, das Lord Percival Smith zeigt, den Gründer des Museums. Die hölzernen Seitenwände des Sargs sind aufgequollen und faulig und wirken, als wollten sie jeden Moment bersten und ihren Inhalt auf schauerlichste Weise hervorspeien. Jeder Besucher hätte sich an dem Ding mit Sicherheit gestört, wenn nicht sogar ernsthaft davor geekelt. Doch wie an den meisten Tagen sind auch heute keine Besucher im Smith-Museum. Neil Topham, der Museumsdirektor, steht ganz allein am hinteren Ende des Eingangsbereichs und mustert ein wenig hilflos die unheilschwangere Kiste, die da vor ihm steht. Die beiden Polizisten, die sie bis hierher geschleppt haben, machen nicht den Eindruck, als wollten sie sie noch viel weiter schleppen. Schwitzend und entnervt stehen sie in ihrer Schutzkleidung unter dem verstaubten Kronleuchter, einer Schenkung von Lady Caroline Smith ( 1884 – 1960 ).
    «Hier können Sie den aber nicht lassen», sagt Neil.
    «Es hat geheißen, wir sollen ihn ins Smith-Museum bringen», gibt der Jüngere der beiden, Police Constable Roy «Rocky» Taylor, zurück.
    «Aber Sie können ihn doch nicht hier in der Eingangshalle stehen lassen!», protestiert Neil. «Er muss in den Saal für Lokalgeschichte.»
    «Ist das oben?», fragt der Ältere, Sergeant Tom Henty.
    «Nein.»
    «Gut, oben ist nämlich bei uns nicht drin. Verbietet uns die Gewerkschaft.»
    Neil weiß nicht genau, ob das ein Witz sein soll. Sind Polizisten überhaupt in einer Gewerkschaft? Trotzdem tritt er beiseite, während die beiden Männer ihre Last erneut schultern und sie, unter den Blicken zahlloser Glasaugen, durch die naturgeschichtliche Abteilung in einen kleineren Saal tragen, den ein Wandgemälde von Norfolk im Wandel der Jahrhunderte ziert. Mitten im Raum wartet ein aufgebockter Tisch, und die Polizisten stellen den Sarg darauf ab.
    «Er gehört Ihnen», sagt Taylor schwer atmend.
    «Aber machen Sie ihn bloß nicht auf», warnt Henty, «solange die Obermuftis noch nicht da sind.»
    «Natürlich nicht», sagt Neil, obwohl er die Holzkiste, deren rissiger Deckel winzige Einblicke in das darin verborgene Grauen gewährt, fasziniert, fast schon gierig betrachtet.
    «Superintendent Whitcliffe ist schon auf dem Weg.»
    «Kommt der Boss auch?», fragt Taylor. Whitcliffe mag zwar der Polizeichef von Norfolk sein, doch für Taylor und seine direkten Kollegen ist der «Boss» auf immer und ewig Detective Inspector Harry Nelson.
    «Nee», meint Henty. «So was ist nicht sein Ding. Reporter und das ganze Gesumse. Du weißt doch, der Boss kann Presse nicht ausstehen.»
    «Es kommt auch jemand von der Universität», wirft Neil ein, «Doktor Ruth Galloway, die Leiterin des Fachbereichs Forensische Archäologie. Sie soll die Sargöffnung überwachen.»
    «Die kenn ich», sagt Henty. «Die versteht ihr Geschäft.»
    «Das ist alles sehr aufregend», sagt Neil und misst den Sarg verstohlen mit einem weiteren begehrlichen Blick.
    «Wenn Sie’s sagen», meint Henty. «Auf geht’s, Rocky. Zurück an die Arbeit. Kein Frieden für die Gottlosen.»

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    1
    Doktor Ruth Galloway, die Leiterin des Fachbereichs Forensische Archäologie an der University of North Norfolk, verschwendet gerade keinen Gedanken an Särge oder Reporter oder auch nur an die Frage, ob sie im Smith-Museum auf DCI Harry Nelson treffen könnte. Stattdessen rast sie in King’s Lynn durch den örtlichen Supermarkt und überlegt, ob Schokokekse sie als schlechte Mutter dastehen lassen könnten und wie viel Wein vier Mütter nebst allfälligen Lebenspartnern wohl trinken. Ruths Tochter wird morgen ein Jahr alt, und Ruth hat sich, ganz gegen ihre eigene Überzeugung, überreden lassen, eine Geburtstagsparty für sie zu geben. «Sie wird sich doch gar nicht daran erinnern», hat Ruth ihrer besten Freundin Shona gegenüber gejammert, die im fünften Monat schwanger ist und der das künftige Mutterglück aus jeder Pore strahlt. «Aber du», erwiderte Shona. «Außerdem ist es doch ein schöner Anlass. Kates erster Geburtstag. Es gibt Kuchen, sie kann ihre Geschenke auspacken und mit ihren kleinen Freunden spielen.»
    «Kate spielt aber nicht mit ihren Freunden», gab Ruth zurück.
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