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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase
Autoren: Mikko Rimminen
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abgesehen waren sie allesamt dunkel, der einzige helle, halblange Trenchcoat hing in der düsteren Ecke wie ein einzelner Zahn in einem klaffenden Schlund.
    »Entschuldigung«, bekam ich schließlich heraus.
    »Macht nichts«, sagte die Frau mit fester Stimme, sie hatte den Schreck schnell überwunden, so wie es zum Beispiel junge Mütter oft können, die stecken alles ruck, zuck weg, sofern ihr Kind nicht in Gefahr ist.
    »Wer ist das?«, tönte irgendwo weiter hinten eine Männerstimme.
    »Jetzt muss ich allerdings sagen, dass ich es nicht weiß«, sagte die Frau und sah mich mit ihren schwarzen Augen fest an.
    Es waren keineswegs feindselige Augen, sondern solche, die verrieten, dass ihre Besitzerin ihren Platz in der Weltkannte. Ich hatte keine Angst vor ihnen. Im Grunde überkam mich nach all dem Hin- und Herprallen plötzlich eine geradezu unvernünftige Ruhe. Weshalb hätte ich mich auch fürchten sollen? Ich war bloß ein Eindringling, den man entweder hineinbat oder herausschmiss. Eigentlich gab es nichts, wofür ich mich hätte schämen müssen.
    »Ich bin Irma«, sagte ich leise.
    »Wer ist das?«, fragte der Mann erneut von drinnen.
    »Ich bin’s, Irma!«, brüllte ich und sah darauf die Frau ein bisschen beschämt an, weil ich so laut geworden war. »Von der Haushaltsforschung. Entschuldigung.«
    Ich erklärte kurz, worum es ging. Kundenbefragung. Verbrauchergewohnheiten. Multiple Choice, Kundenbeteiligung, nähere Umgebung. Mir brach der Schweiß aus, aber es ging überraschend gut. Im Inneren der Wohnung zischte etwas in einer Pfanne.
    Ich weiß nicht, wie oder warum, aber ich wartete dann nicht darauf, weiter hineingebeten zu werden, sondern streifte mir die Stiefeletten von den Füßen und produzierte immer neue Bitten um Entschuldigung. Dass ich so spät am Abend bei den Leuten hereinplatze, richtig peinlich, aber weil der normale Lohnempfänger natürlich tagsüber oft arbeitet, wird es bei uns schnell spät, jeden Tag muss eine bestimmte Anzahl von Kunden abgeklappert werden, wo kam das jetzt her, es klang ziemlich weinerlich, aber trotzdem wagte ich es, weiterzureden, und erklärte, ich hätte einen etwas schwierigen Tag gehabt, die Leute alle irgendwo anders, und dann musste ich auch noch hier über die Schwelle stolpern, wieso das jetzt, und dann auch dieser Rededurchfall. Und als die Frau mich dann in die Küche führte, ein bisschen so, als hätte sie Angst, ich könne jedenMoment tot umfallen, hatte ich nur die Frage im Kopf, ob ich den letzten Gedanken auch laut ausgesprochen hatte.
    Aber da waren wir auch schon in der Küche angelangt, und dort wartete der Mann. Er rührte in einem großen, zischenden Wok und war auf eine Art küchenentspannt, wie es nur Männern möglich ist. Jede Bewegung mit dem Pfannenwender begleitete er mit einem Hüftschwung. Eine Frau kocht ernst und mit geradem Rücken.
    »Guten Abend«, sagte er. Ich nickte und wünschte das Gleiche. Er war ein ganz gewöhnlich aussehendes männliches Wesen, wenn auch gesund und gut in Form und jedenfalls ansatzweise gepflegt wirkend; auch er hatte Augen, die verrieten, dass er wusste, was er tat, wobei in seinem Blick nichts Hartes, geschweige denn Hinterhältiges lag.
    »Ja, also Irma, Irma war doch der Name, genau, Irma macht irgendeine Befragung.«
    »Okay«, sagte der Mann, und für einen Moment rechnete ich damit, dass er mich hinauswarf. Dann hielt er aber bloß seiner Frau den Pfannenwender hin und sagte mit einer Art Leichtkäsefröhlichkeit, ein bisschen reklameartig: »Pass mal kurz auf das hier auf, ich guck schnell nach, ob Sini-Virve aufgewacht ist.«
    Die Frau fing das Instrument fast aus der Luft und rührte gleich darauf im Abendessen. Mich bat sie freundlich, am Tisch Platz zu nehmen. Ich setzte mich und empfand plötzlich eine sonderbare Heiterkeit wegen der Gewogenheit dieser selbstsicheren Kreaturen und wollte schon fragen, ob hinter der Namenskombination des Kindes Druck von der Verwandtschaft steckte, weil ich mir unmöglich vorstellen konnte, dass er oder sie aus vollem Herzen ihr Kind mit einem Namen hattenverunstalten wollen, der einen sowohl an Reinigungs- als auch an Angelzubehör erinnerte. Zum Glück hielt ich den Mund. Ich saß bloß da, die Hände brav auf der Tischkante, und verkniff mir das Grinsen und sah aus dem Fenster. Man sah dieselbe, von Kiefern umstandene Fläche wie aus dem Nachbarfenster.
    Dann sagte sie, die Frau, sie heiße Mari und bedauerte sogleich, dass sie vergessen hatte, sich
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