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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase
Autoren: Mikko Rimminen
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einfach an wehzutun.
    »Entschuldigung«, murmelte ich, während ich die zudringliche Extremität auf ihre Seite schob und die Papiere auf dem Schoß ausbreitete. Meine Sitznachbarin muckste sich zwar nicht, lächelte aber. Ich lächelte zurück und machte mich daran,Irjas Antworten zu studieren. Ich hatte sie in den Computer übertragen, weil ich aus meinem Gekritzel auf den Kalenderblättern bald nicht mehr schlau geworden wäre. In den schlichten, alltäglichen Informationen konnte man letztlich wenig von dem Menschen hinter den Antworten erkennen, weil es eben über niemanden viel aussagt, ob er zu Wettex oder Vileda greift, um vom Fußboden Moosbeerensoße oder Katzenpisse aufzuwischen, aber sie machten immerhin schon einen ganz brauchbaren Eindruck, diese Seiten: Auf dem ersten Blatt standen die Anschrift der Kundin und ihre Telefonnummer, beides aus dem Internet geangelt, da war diese Datenautobahn endlich mal zu was nutze, nicht dass ich aus reiner Dickköpfigkeit dagegen gewesen wäre, aber es ist nun mal der einsamste Ort der Welt, das Weltweitweb, wie mein Sohn sagt. Bestimmt hat die Menschheit nie zuvor so viel Einsamkeit in einem so kleinen Raum angesammelt.
    Solche Sachen dachte ich, als ich so im Bus saß, und ich fragte mich auch, wem erkläre ich das insgeheim eigentlich alles, wem halte ich da Vorträge und worüber. Draußen huschte der Herbst in bunten Streifen vorüber, im Bus wurde geniest, gegähnt, leise gesprochen oder ins Handy gebrüllt. Ich streckte mich so gut es meine üppig ausgestattete Sitznachbarin erlaubte, lehnte die Schläfe ans kühle Fenster und ließ den Kopf sozusagen einfach rauschen.
    Dann, überraschend schnell schien mir, waren wir auch schon in Kerava. Ich stieg im Nieselregen, der inzwischen eingesetzt und den ich durchs Busfenster gar nicht bemerkt hatte, aus und fragte mich, was um Himmels willen tue ich hier eigentlich. Eine Weile stand ich wie ein begossener Pudel an der Bushaltestelle, mitten auf einer Art Platz. Busse und in Folieverpackte und regenbeschirmte Menschen eilten vorbei, alle schienen eine Last zu tragen, selbst die, die kein eindeutig zu bestimmendes Tragemittel bei sich hatten. Ich ging los. In der Bahnhofsgegend standen viel Gemäuer aus rotem Backstein und alte Häuser, aber die Aussicht änderte sich rasch, und auch wenn zum Beispiel Hakaniemi nicht unbedingt der angenehmste Ort der Welt sein mag, so war dieser Teil von Kerava zumindest, mit Verlaub gesagt, ein bisschen, na ja, unschön. Der Beton, der im Regen still die Farbe verlor, die Glasflächen der Geschäfte und die Plattheit allenthalben stimmte einen irgendwie traurig. Ich musste an Irja Jokipaltio denken. Fühlte sie sich hier wohl?
    Ich stapfte aus der Innenstadt hinaus. Zunächst wurden die Häuser niedriger, aber dann fingen sie wieder an zu wachsen. Hier hatte es auch mehr geregnet. Auf den Straßen stand das Wasser, das Reifenzischen der Autos überlagerte das Brummen ihrer Motoren. Windjacken, Stöcke, Hunde, Mopeds kamen mir entgegen. Erst die neongelbe Mütze eines ausgezehrt wirkenden Joggers ließ mich schlagartig bemerken, dass eine schwarze Wolke das Panorama verdüsterte. Seine Kopfbedeckung schien alles im Radius von zehn Metern zu erleuchten.
    Bald stand ich dann auch schon in dem Wäldchen neben dem Haus. Die gelben und orangefarbenen Blätter leuchteten, als hätte jemand Strom hineingeleitet oder Faserlicht, Lichtfasern oder wie man das nennt. Ich stand neben einer hohen, gerade gewachsenen Kiefer und schaute auf den grauen, etwas melancholischen Wohnklotz. Es roch nach feuchter Rinde und dem Leben, das aus den herabgefallenen Blättern wich, und nach einem undefinierbaren Mischmasch. Meine Füße wurden kalt, und ich begann am ganzen Körper zu zittern, irgendwoim Haus standen die Fenster offen, man hörte ein Kind weinen und eine Frau jammern und einen Staubsauger röcheln. Eine Windböe kam auf, brachte einen Schnörkel Essensgeruch mit sich und schleuderte mir eine Ladung großer, schmerzlich kalter Wassertropfen aus dem Baum in den Nacken. Zeit, sich zu bewegen.
    Ich überquerte den Vorplatz und dann den Parkplatz, und dann war ich auch schon im Hinterhof des Hauses, auf der Küchenseite. Ich registrierte, dass
     ich mich mit resoluten Schritten fortbewegte, es musste ein wenig übertrieben aussehen, und das ganze Gerenne war ja doch zu nichts nütze, jedenfalls
     insofern nicht, da ich, je schneller ich ging, mich umso rascher Irjas Hauseingang näherte, es war
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