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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase
Autoren: Mikko Rimminen
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Rauch- und Dampfsäulen senkrecht in den schwarzen Himmel, in den kalte Sternenlöcher eingestanzt waren, die aussahen, als pfiffe es durch sie hindurch.
    Endlos lange konnte man da natürlich nicht sitzen bleiben, wenn man nicht festfrieren und sterben wollte. Ich wollte weder das eine noch das andere, darum stand ich auf, klopfte mir den Schnee vom Hinterteil und ging weiter. Beim Überqueren der Straße breitete sich wieder Wärme in meinen Gliedmaßen und etwas Warmes, Rundes auch in meinem Inneren aus. Auf den dreißig, vierzig Metern Gehsteig rollten gleich mehrere hervorragende Geschenkideen an. Als ich das in der Kälte quietschende Tor öffnete, war ich bereits ganz woanders, beim Durchqueren des Innenhofs spürte ich ein seltsames Kitzeln im Herzen, und als ich die Treppe hinaufstieg, waren meine Gedanken auch schon von Stimmen, Gerüchen und sogar Geschmack erfüllt. Kaum hatte ich in meiner Wohnung Mantel, Mütze, Schal und Handschuhe ausgezogen und spürte, wie die Heizungswärme die Wangen zum Glühen brachte, war ich bereits im tiefsten Sommer angelangt, der Ort könnte Kerava gewesen sein, und ich kam zu einem merkwürdigen Fest, bei dem zwar irgendwie Weihnachten gefeiert wurde, aber bei Sonnenschein und Hitze und im Freien, alle waren sie versammelt, die Jalkanens mit ihrem Kind verwalteten den Grill, die Mäkiläs waren wieder auf dem Posten, und natürlich war auch die gesamte Familie Jokipaltio da, das Familienoberhaupt rasiert und mit neuer Anstellung, das Mädchen und der Junge in ihrer rundeckigen Jugendlichkeit ein wenig abseits, und alswichtigste Person natürlich Irja, die eiserne Irja, mit rot geschminkten Lippen schenkte sie ein Schaumgetränk aus und murmelte etwas von wegen Irma hat schon wieder Plastikbecher gekauft. Und als ich beim Teekochen daheim die ganze alberne Vorstellung einfach auftauchen und geschehen ließ, da kam auch Opa Hätilä dazu und pürierte mit seinen kleinen Zähnen Kaffee und Kuchen, seine Tochter hatte ihre Medizin genommen und erklärte gerade jemandem etwas Astrologisches, und sogar Virtanen aus Hakaniemi war irgendwie dorthin geschleift worden, in einem neuen Hemd und die Haare wassergekämmt, und neben ihm stand mein Sohn, er hatte abgenommen und lehnte das alkoholische Getränk ab, das Virtanen ihm aufdrängen wollte. Und so bescheuert das ganze Fantasiegebilde auch sein mochte, so angenehm war es, sich darin zu bewegen, während die Kälte an den Hausecken knackte und Eisblumen auf dem Fenster wuchsen, man durfte träumen, Gedankenspiele machen, es war kein todernstes Zukunftsbild, es hätte auch keine Rolle gespielt, wenn wir im Heizungskeller gestanden und lauwarmen Saft getrunken hätten, ich wünschte mir bloß, während ich so auf mein dunstumrandetes Spiegelbild in der Spüle schaute, dass wir alle beisammen wären, beisammen und nett zueinander.
    Es schien mir durchaus möglich.

Informationen zum Buch
    Irma, Anfang 50, alleinstehend, ohne Job, wählt eine etwas unkonventionelle Methode, um neue Freunde zu finden: Sie gibt sich als Mitarbeiterin eines Marktforschungsinstituts aus. Eine geniale Idee, die ihr zahlreiche Wohnungstüren öffnet. Allerdings sind Irmas Umgangsformen etwas eingerostet, ihre Fragen bisweilen irritierend unbestimmt oder eher privater Natur, die Untersuchungsmethoden wirken fragwürdig, ihre Erklärungen lassen zu wünschen übrig. Als die Tochter eines alten Mannes sie der Erbschleicherei verdächtigt, muss Irma fürchten, entlarvt zu werden. Dass sie in dem Gewohnheitstrinker Virtanen inzwischen einen verlässlichen Freund gefunden hat, erweist sich nun als sehr hilfreich ...
    Mit Irma, die ihrer Einsamkeit auf ungewöhnliche Weise begegnet und dabei zur ungeschicktesten falschen Marktforscherin Europas wird, hat Mikko Rimminen eine
Frauenfigur geschaffen, die dazu ermutigt, das Leben selbst in die Hand zu nehmen.
    Ein wunderbar warmherziger, skurriler Roman aus Finnland.

Informationen zum Autor
    Mikko Rimminen, geboren 1975, hat zunächst zwei viel beachtete Gedichtbände sowie einen Band mit Kurzprosa veröffentlicht, bevor er seinen literarischen Durchbruch mit dem Roman ›Tütenbierroman‹ erlebte, für den er in Finnland als bester junger Autor des Jahres 2004 ausgezeichnet wurde. Für seinen dritten Roman, ›Der Tag der roten Nase‹, erhielt er 2010 den Finlandia-Preis, den bedeutendsten finnischen Literaturpreis.
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