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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase
Autoren: Mikko Rimminen
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anständig die Haare machen, ihre Klagen über den Fiskus und die Liberalen rauschten mir zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus. Drei Tage lang machte ich sauber, ohne mich zu beeilen, gerade dass ich nicht mit der Zahnbürste hinter den Fußleisten schrubbte. Ich öffnete weit beide Fenster, damit die Kälte die Wohnung durchlüftete. Nicht dass die Gegebenheiten eine derartige Gründlichkeit verlangt hätten, nein, sauber war es auch vorher schon gewesen, aber ich hatte eben das Gefühl, nirgendwo hinzumüssen.
    Mein Sohn rief auch mal an, eines elektrisch kalten, vonder Sonne grell ausgeleuchteten Vormittags. Es knisterte in der Leitung, als knickte der Frost die Kabel. Ich las ihm nicht die Leviten, versprach aber, sie ihm zu lesen, und zwar gründlich. Ich sagte ihm, das Auto stehe irgendwo in Vallila in einer Seitenstraße, die Reifen vom Nagelteppich zerfetzt. »Und, was du sicher auch nicht weißt: Die Kiste war nicht beim TÜV, und die Versicherungsbeiträge sind nicht bezahlt.«
    Er schwieg lange und fing dann an, etwas Undeutliches über die Fahrertür zu nuscheln, dass man sie beim Öffnen anheben müsse. Es klang, als spräche er in einer engen Kabine. Ich sagte ihm, ich hätte keine Lust, mir seine Ratschläge und Erklärungen anzuhören, und außerdem wisse ich, wo er sei. Die Polizisten hatten die Gesichter verzogen und verbogen, als ihnen klar wurde, dass ich keine Vorstellung davon hatte, wo sich der verfluchte Besitzer des Autos, mein eigener Sohn, eigentlich aufhielt.
    Er schluckte hörbar und murmelte etwas von einem gewissen Bosse und einem gewissen Lyhtinen, die würden zu mir kommen und die Schlüssel abholen, die wüssten, wie man mit dem Auto umgehen müsse. Sie kamen tatsächlich, noch am selben Tag. Sahen schlimm aus, die Brüder, waren aber höflich. Einer von beiden wünschte mir zum Abschied gutes Wintersportwetter.
    Da ich nun wusste, wo er war, mein Sohn, ging mir das Telefonat so sehr zu Herzen, dass ich flüstern musste: »Da kriegt man doch sicher auch mal Urlaub?« Aber da musste er schon wieder Schluss machen, und in der Leitung rauschte nur noch der Wind.
    Auch mit Irja sprach ich, ja, das war eine riesige Erleichterung für mich, das Telefonat mit ihr, nachdem ich mich endlichgetraut hatte, sie anzurufen. Tagelang hatte ich auf ihre Initiative gewartet und dann noch einmal so lange Mut gesammelt, um mich bei ihr zu melden. Es lohnte sich. Als ich am Ende des Gesprächs auf den Knopf mit dem roten Telefonsymbol drückte, fühlte ich mich so leicht, dass ich in die Kälte hinausmusste, um alle Glöckchen läuten zu lassen. In letzter Zeit hatte es immer Schwierigkeiten gegeben, wenn mir licht zumute gewesen war, aber jetzt kam es mir vollkommen angemessen vor, ich hatte so eine frostfrische Luftigkeit am ganzen Körper und in den Gedanken, ein bisschen nach dem Motto: So soll es sein.
    Ich landete auf dem Markt. Große Geschäfte wurden bei dem Wetter nicht gemacht, ein paar ausdauernde Reiseandenkenverkäufer schätzten ihre Erzeugnisse als kälteresistent ein, und ein Kaffeezelt hielt tapfer die Stellung. Neben einem glucksenden Heizgerät schlürfte ich meinen Kaffee und wunderte mich zusammen mit der Kaffeedame über die Stadt, die auf einmal magisch geworden war. Auf dem leeren Marktplatz blieben Menschen verdutzt stehen, ließen Dampfwolken aufsteigen und schienen auf etwas zu warten, ich wusste nicht, auf was, auf einen Bus, auf einen Freund, auf den Fischhändler, auf den Sommer. Die am Rand des Marktplatzes kastenförmig geschorenen Linden glänzten so weiß, dass sie aussahen, als wären sie aus Plastik, sie waren aber doch viel zu schön, um künstlich zu sein. Beim Gehen wünschte ich der Wirtin gutes Wintersportwetter, das hatte ich irgendwie im Kopf behalten, und bekam als Antwort eine ausladende Geste, verdrehte Augen und übertriebenes Lamentieren über die Tatsache, dass man hier nicht so viel zum Skilaufen komme, wo man doch die halbe Stadt mit Kaffee versorgen müsse. Ichwiegte verständnisvoll den Kopf und sagte aus irgendeinem Grund, ich kenne das Gefühl, und ließ sie dann mit einem Penner zurück, der schlotternd an das Heizgerät drängte und den sie mit ihrer halb sanften Art zurechtwies.
    Und als ich dann meinen Einkauf getätigt und erneut den Marktplatz überquert hatte, drückte ich ein Mal auf den Klingelknopf und stand auch schon in Virtanens Treppenhaus, das mir nach all dem Kältelodern stockfinster vorkam.
    Er öffnete die
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