Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase
Autoren: Mikko Rimminen
Vom Netzwerk:
Einstieg gewesen war, aber sie hatten auch ziemlich aus dem Hut gezaubert geklungen, die Fragen, von wegen Essen Sie Joghurt oder Wie oft die Woche gehen Sie in die Sauna, und sie ging natürlich einmal die Woche, die Irja, wie die meisten anderen Leute wahrscheinlich auch. Als ich mir jetzt die neuen Fragen anschaute, wirkten sie ungleich überzeugender:Wie viele Verträge mit Telefonanbietern sind in Ihrer Familie bislang abgeschlossen worden? Wer in Ihrem Haushalt entscheidet über die Anschaffung von Reinigungsprodukten? Gehen Sie lieber in den Lebensmittelladen um die Ecke oder in einen Verbrauchermarkt? Und wenn es dann auch noch mehrere Antwortmöglichkeiten gab, umso besser.
    Das Resultat bestand jedenfalls darin, dass ich mich für all die alten Fragen schämte. Mein Kopf fühlte sich regelrecht heißgelaufen an. Und als neben mir dann Aufbruch anzeigendes Textilgeraschel, Billigschmuckgeklingel und so etwas wie Tschüs und Schönen Tagnoch zu hören war, gelang es mir lediglich, mit zerstreutem, mattem Kopfnicken und einem sonderbaren Kehlkopfkieksen zu antworten sowie mit einem Lächelversuch, der wahrscheinlich eher an das zahnreiche Grinsen erinnerte, das irgend solche Normaltrampel in Amerika aufsetzen, wenn sie vor die Kameras geraten. Weil man ihnen schon im Kindergarten beibringt, dass man die Zähne zeigen soll, wenn man fotografiert wird.
    Als die Mädchen hinter den Büschen verschwunden waren, stopfte ich die Papiere in die Tasche zurück und starrte wieder auf die reglose Bucht, auf die
     kurz darauf von oben eine weiße Möwe ihre Ladung klatschen ließ. Langsam zerlief sie auf dem Wasser und sah aus wie ein in die Pfanne geschlagenes Ei.

Im Bus setzte ich mich auf einen freien Fensterplatz, die Handtasche fest auf dem Schoß, ein bisschen so, als würde ich sie umarmen. Fünf Sekunden später plumpste neben mir eine ziemlich dicke Frauensperson nieder, die eine größere Last trug als ich, aber den gleichen Sicherungsgriff hatte. Ihr Ellbogen versank zwischen meinen Rippen, ausgerechnet da, wo ich nicht gepolstert war.
    Der Fahrerwechsel stand an. Der Bus zitterte im Leerlauf auf der Stelle, was für eine Resonanz sorgte, die von all meinen Körperteilen ausgerechnet die Stirn unbändig zum Jucken brachte. Ich riss mich zusammen, um nicht zu kratzen. Die Fahrer führten am Rand des Marktplatzes noch einen leidenschaftlichen Wort- und Gebärdenwechsel, beide waren Ausländer, oder vielmehr Finnen mit Migrationshintergrund, wie man ja heute sagen muss, aber aus ganz unterschiedlichem Holz. Derjenige, dessen Schicht zu Ende war, sah wohl am ehesten türkisch aus und derjenige, der die Schicht antrat, eher somalisch. Die Worte schienen ihnen nicht ausgehen zu wollen. Auf dem Marktplatz peitschte ein orangefarbener Spritzwagen das Pflaster mit schneidend scharf aussehenden Wasserskulpturen. So wurde dem Dreck, dem Gesindel und auch den Tauben eine Abfuhr erteilt.
    Die Fuhrmänner hatten dann ihre Neuigkeiten ausgetauscht, umarmten sich und schlugen sich auf die Rücken. Ichbrachte die Lippen in Neutralstellung und wühlte das Handy aus der Handtasche, fingerte eine Zeitlang daran herum, aber als das Textnachrichtenfeld sich mit einem unsinnigen Gestrüpp aus zufälligen Zeichen schwärzte, wurde ich des Geräts müde und stopfte es in die Tasche zurück.
    Auf der Hämeentie ruckte der Verkehr, es wirkte, als würde er dahinkeuchen. Die Menschen schleppten bunte Plastiktüten. Vor einem asiatischen Gemischtwarenladen schaukelte eine imposante Frau mit Kopftuch einen Kinderwagen. Drei Gehtüchtige hielt sie in einer findigen dreizweigigen Riemenkonstruktion, jedes der Kinder zappelte in eine andere Richtung, aber es reichte weder zu einer Übeltat noch dazu, dass eines unter ein Auto geriet. Vor dem Arbeitsamt in der Haapaniemenkatu standen drei Feuerwehrautos und eine Schar Gaffer, mehr konnte man von der Verwicklung nicht sehen, weil der Bus schon wieder vorwärtszitterte.
    Es kam die krumme Kreuzung Kurvi, all das hektische Hin und Her von einem Verkehrsmittel zum anderen und das sture Herumstehen der Müßiggänger mittendrin, es kam Vallila, die Paulskirche umgeben von Ahornbäumen, die in Flammen zu stehen schienen, es kam Kumpula, dann Koskela. Als wir auf die Autobahn fuhren, buddelte ich in meiner Handtasche wieder nach Unterlagen, ich musste etwas gegen den fremden Ellbogen zwischen meinen Rippen unternehmen. Nicht dass ich menschliche Berührungen oder so etwas scheute, aber es fing
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher