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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase
Autoren: Mikko Rimminen
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fuhr fort: »Die Situation stellt sich nun allerdings so dar, dass ich mir jetzt erst mal quasi so eine Art Überblick verschaffe, praktisch wie ein Forschungsteam, also wir sammeln die grundlegenden Informationen und so weiter,das heißt die eigentliche Befragung findet dann quasi erst später statt. Die Zielgruppe. Es geht um die Zielgruppe. Die muss quasi gefunden werden.«
    Das Sprechen wurde noch schwieriger, als mir beim dritten Quasi der Gedanke kam, wie oft man es überhaupt hintereinander sagen konnte, in dem Bestreben, kompetent zu klingen, und darum ging völlig an mir vorbei, was Mari sagte, als sie mir ins Wort fiel. Es war aber irgendetwas von wegen Wir brauchen ja auch wirklich nichts.
    »Es ist ein Überraschungsgeschenk«, gelang es mir dann stolz und mit absurdem Nachdruck zu krähen.
    »Nein, wirklich, wir wollen nichts«, sagte nun der Mann, wie hieß er noch, Jaanis, genau. »Ist doch schön, sich ab und zu mal mit jemandem zu unterhalten. Heutzutage kommt man nicht mehr so wahnsinnig viel unter Leute, das Kind und alles, das geht schnell, hier redet man nicht unbedingt viel miteinander.«
    »Und dabei habt ihr so eine nette Nachbarin!«, platzte ich heraus, bevor irgendeine Warnlampe aufleuchten konnte. Und schon schilderte ich meinen Besuch in der Nachbarschaft, eine andere Umfrage zwar, aber ich kenne die Leute, das heißt die Frau, nette Person, großartig, einfach wunderbar.
    Das Paar schaute sich ein bisschen verlegen an. »Wir haben nicht so wahnsinnig viel Kontakt«, sagte der Mann. »Also man grüßt sich und so.«
    »Schade«, sagte ich und meinte es auch.
    »Man müsste eigentlich mehr …«, sagte Mari, nahm den Wok mit durchgestrecktem Rücken vom Herd und ließ sich mit einem Plumps am Tisch nieder. Der Mann folgte ihr.
    In diesen wenigen letzten Momenten herrschte ein komisches,hauchzartes Einverständnis am Tisch und in der Küche. Der Sekundenzeiger flutschte, als sauste er durchs Universum, im Zimmer nebenan stöhnte das Kind im Schlaf und klang doch zufrieden, in der Nachbarwohnung hörte man jemanden abspülen, und auf den nassen Ahornblättern im Hof flackerte es von gleich mehreren Fernsehern. Der Reis kochte, das Wokgericht zog durch, sie boten mir etwas an, aber ich lehnte ab, ich hatte das Gefühl, sie jetzt essen lassen und nach Hause fahren zu müssen, bevor es zu spät war, bevor etwas schiefging. Ich fragte nach ihren Daten, Arbeitsplatz, Alter und anderen zweitrangigen Informationen, versprach so bald wie möglich wegen des eigentlichen Anlasses zurückzukommen und machte mich ans Aufbrechen. Ich bedankte mich noch wortreich, bat um Verzeihung für all die Mühe und Störung, lobte die saubere Wohnung, von der ich nur die Küche gesehen hatte, wünschte Gute Nacht und sagte, ich würde allein hinausfinden. Sie drängelten tatsächlich nicht bis in den Flur, und bevor ich durch die Wohnungstür ins Treppenhaus schlüpfte, flüsterte ich noch so laut ich mich traute: »Es ist übrigens eine tolle Überraschung!«
    Die Tür war noch nicht ganz zu, da bemerkte ich, wie das Paar in der Küchentür stand und einander ansah und lächelte. Es lag nicht ein Gran Negativität
     darin, das merkte man irgendwie.

Als ich nach Hause kam, hatte ich das Gefühl, es sei nach Mitternacht, dabei war es erst acht. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zuletzt so müde gewesen war. Gern hätte ich gedacht: müde, aber glücklich – nicht wie Sportler und Jubilare, sondern wie ein Normalmensch, der einen Arbeitstag hinter sich gebracht hat.
    Ich schlief zwölf Stunden. Beim Aufwachen fühlte ich mich ein wenig klebrig. Im Hof beschien die Sonne bereits die Mauer gegenüber, und als sich die Frau des Ingenieurs hinter ihrem Fenster rührte, ging ich mit einem Satz hinter dem Vorhang in Deckung. Ich schämte mich, um diese Tageszeit im Nachthemd herumzugammeln. Mir war klar, dass ich irgendwann auch wieder zu ihr gehen musste, die Haare würden schon bald zu knistern anfangen und die Farbe verblasste allmählich, sie betrieb eine Art Heimsalon, die Ingenieursfrau, hatte irgendwann auch mal einen eigenen Friseurladen in der Gegend gehabt, aber ob es der Mann war, der sie in die Heimmannschaft abkommandiert hatte, das weiß keiner. Sie machte es billig und ordentlich, aber sie war so unwahrscheinlich darauf aus, Beamte, Kommunisten und alle möglichen Fähnchen im Wind zu verwünschen, dass ich immer mal wieder überlegte, ob es nicht doch einfacher wäre, einen x-beliebigen Friseursalon
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