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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase
Autoren: Mikko Rimminen
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zu betreten und sich von einer Fremden behandeln zu lassen.
    Ich kochte Kaffee. Raschelte ein bisschen mit der Zeitung. Und schaffte es nicht, auch nur einen einzigen Artikel bis zum Ende durchzulesen. Die großen Seiten segelten von rechts nach links wie bröckelnde, tote Flügel und wirbelten Staub auf. Den wird man nie los, den Staub, du wischst und wischst, und trotzdem körndelt sich immer wieder was davon schnurstracks an Ort und Stelle. Irgendwie war ich gereizt. Ich hatte das Gefühl, als wäre ein Teil des Tages schon im Eimer. Auch der verblichene Hühnerleberhaufen von gestern in dem durchsichtigen Beutel auf der Spüle hob meine Stimmung nicht im Geringsten.
    Ich dachte daran, sauber zu machen. Ich dachte noch an viele andere Dinge, aber darüber schweigt man eventuell besser, aus diplomatischen Gründen, wie mein Sohn vielleicht sagen würde. Stattdessen ging ich aufs Klo und unter die Dusche, worüber man sicher ebenso schweigen sollte, und dann setzte ich mich wieder an den Tisch und dachte sozusagen mild gesäuert, da setze ich mich also jetzt an den Tisch und denke über mein Leben nach. Worauf ich mich noch kurz fragte, woher dieses Theatralische jetzt eigentlich kam, das sich über alles legte.
    Ich saß da, blickte mich um, viel gab es nicht zu sehen, einen Wohnraum von dreißig Quadratmetern minus einer Bodenbrettbreite, aber was braucht ein einzelner Mensch schon viel an Raum um sich herum. Was würde das geben, wenn man alleine in einem riesigen Haus wohnen müsste, da müsste man ständig Angst haben, Angst vor der Stille, Angst vor Geräuschen, abwechselnd vor der Stille und vor den Geräuschen, vorm Gurgeln des Wassers in den Rohren, vorm Wind in den Ecken, vor der Stille nach dem Windstoß, vorm Kratzen einesAstes an der Wand, vor der Stille nach dem Kratzen des Astes. Man würde in schlaflosen Nächten von einem Zimmer ins nächste taumeln, um sich zu versichern, dass da niemand ist, und dann wäre man wieder für eine Weile zufrieden. Und traurig, weil niemand da ist.
    Verrückt würde man werden. Dreißig Quadratmeter, knapp darunter, das genügt für einen Menschen. Außerdem sind es die eigenen, dafür hat es immerhin gereicht. Und dazu gibt es zwei große Fenster in zwei Richtungen, weil Eckzimmer, und jedem gegenüber eine Wand.
    Ich setzte das sture Herumsitzen fort. Alles in der Wohnung befand sich da, wo es hingehörte, und das war gut so. Es gab relativ wenig Platz, weshalb Töpfe, Pfannen, Schüsseln, Mixer und die anderen, welche anderen, na, die Pfannenwender, Messer, Bürsten, Knoblauchpresse, Reibe, das Krebsmesser mit den Löchern … was hatte das einsame Ding hier noch verloren … aber wo war ich stehen geblieben, bei der Liste, der Stabmixer war unberücksichtigt geblieben … und erst da kam mir die Frage in den Sinn, warum die ganzen Gerätschaften überhaupt aufgezählt werden mussten. Fakt war trotzdem, dass sie alle gut zu sehen waren, an der Wand, weil es im Schrank keinen Platz für sie gab. Aber sie sahen schön aus, wie sie da hingen, sichtbar, praktisch, notwendig, existierend. Man war am Leben.
    Die Uhr schlug mit hellem Ton, eine kleine Uhr mit Gewichten zum Aufziehen, die wenig Dekoratives zu bieten hatte, abgesehen von ihren tannenzapfenförmigen Gewichten. Sie schlug bereits Mittag. Flüchtig dachte ich an Irjas Wurzeluhren und an den riesigen Zeitnehmer der Jalkanens; daran, dass höchstens zwanzig Zentimeter Wand die beiden Vorstellungenvon Schönheit und bestimmt auch von Zeit und Welt trennten. An alles Mögliche musste ich denken, ständig kamen sie mir in den Sinn, die Gedanken, aber sie schauten nur kurz vorbei und verschwanden dann in der Welt wie Spritzer vom Polsterreinigungsschaum im Staubsauger, feucht und schaumig quollen sie hervor, trockneten zu bröckelndem Schmodder und wurden aufgesogen.
    Dann, als ich schon nahe daran war, mich immer tiefer in die Welt der Chemikalien zu verirren, klingelte das Telefon. Es war mein Sohn.
    »Endlich«, sagte er.
    »Wieso ?«, fragte ich. Das Telefon hatte eine seltsame Tücke, ich hörte meine eigene Stimme mit einer halben Sekunde Verzögerung, sie klang metallisch und unfreundlich, wie bei jemandem, der mit einem Zinkeimer über dem Kopf etwas mit abweisendem Tonfall sagt.
    »Ich hab versucht, dich anzurufen«, sagte mein Sohn.
    Darauf antwortete ich kurz und bündig: »Hast du nicht.«
    »Hab ich doch«, sagte er, mit einem Ton wie bei einem beleidigten, na ja, Jungen. Einem kleinen Jungen.
    »Hast du
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