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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase
Autoren: Mikko Rimminen
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vorzustellen. Ich antwortete, unsere Bekanntschaft habe in keiner Hinsicht regelgemäß begonnen. Sie wiederum präzisierte, den Nachnamen hätte ich sicherlich trotz allem an der Tür gelesen, falls er nicht ohnehin in den Unterlagen stehe. Ich sagte nichts, aber als sie mir vom Herd aus einen Blick zuwarf, verdrehte ich, wie ich fand, schelmisch-einvernehmlich die Augen und hoffte insgeheim, nicht wie eine Vollidiotin auszusehen. Ich versuchte, eine Art inneres Foto von der Tür in den Sinn zu bekommen. Es gelang mir aber nicht, mehr zu erhaschen als den Namen Jalkanen – Beinlein –, und ich wünschte, ich täuschte mich, ich dachte, das arme Kind, wie soll es später auch das noch ertragen, wenn einem beim Nachnamen als Erstes etwas einfällt, das an Zwergwuchs denken lässt.
    »Ja also«, sagte Mari Hoffentlich-Nicht-Beinlein dann, und ich verstand eigentlich nicht ganz, was sie meinte, aber die Unterbrechung kam mir doch gelegen, weil mich diese unerwünschten Gedanken allmählich schon zum Lachen reizten.
    Ich sah mich in der Küche um. Sie war das bauliche Spiegelbild zu der von Jokipaltios, aber sonst gab es so gut wie keine Gemeinsamkeiten. Hier war fast alles grau oder schwarz oder aus Stahl, da und dort ein bisschen rot; dezent und stilbewusst war sie, irgendwie rhythmisiert. Wenn man die edleKargheit nicht als Maßlosigkeit bewerten wollte, dann bestand die einzige Übertreibung in der riesigen Uhr mit Stahlrand, sie hatte einen Durchmesser von sicherlich einem halben Meter und nahm fast den gesamten Streifen ein, der zwischen der Außenwand und den glänzenden grauen Hängeschränken frei blieb. Plötzlich begriff ich, dass auf der anderen Seite derselben Wand Irjas Wurzeluhren ihr nervöses Eigenleben führten. Dieser eine Zeitmesser hätte sie alle schlucken können.
    Ich landete wieder im real Existierenden, als der Mann zurückkehrte. »Also, ich bin Jaanis«, sagte er, kam von der Tür aus forsch auf mich zu und hielt mir die Hand hin. Ihr Druck war kräftig. Dann zuckte er gewissermaßen auf den kleinen runden Boucléteppich in der Mitte der Küche zurück, wie auf ein winziges Siegerpodest, und sagte: »Sie wollten irgendwelche Fragen stellen.«
    Er sagte es ohne Fragezeichen, aber dennoch lag in dem Satz eine fragende, freundlich gesinnte Nuance, als wollte er die Barschheit, die in der Feststellung möglicherweise enthalten war, einzäunen. Fürs Erste antwortete ich ihm, einen Erdenwurm wie mich brauche man nicht zu siezen, schlüpfte aber im selben Moment schon zu anderen Gedanken, ich überraschte mich selbst mit der Überlegung, ob ich mit Irja von nebenan sofort per du gewesen war. Ich konnte mich nicht erinnern. Beide Varianten hatten etwas für sich: Das Duzen wäre natürlich kameradschaftlicher gewesen, aber im Siezen lag eben auch eine gewisse altmodische Sicherheit.
    Es war allerdings unmöglich, auf dem Thema weiter herumzureiten, denn Mari fragte vom Herd aus, unter der stählernen Dunstabzugshaube hervor, ohne den Kopf zu drehen: »Ach ja, kriegen wir da eigentlich was für?«
    Ich blickte hoch von der Handtasche auf meinem Schoß, aus der DIN-A4-Blätterecken keimten. Ich konnte nicht mehr tun, als die Frau anzustarren, die sich nun doch umdrehte und mich mit ihrem sportlichen Blick musterte. Es juckte mich irgendwie von innen am Kopf, ich hörte ein Kratzen und kleine Plopp-Geräusche.
    »Ich meine, nicht dass das jetzt irgendwie …«, sagte sie, »ich frag bloß so aus Interesse.«
    Es gelang mir noch immer nicht, ein Wort aus meinem Mund zu leiern. Ich schielte auf die Wanduhr, deren Sekundenzeiger glatt übers Ziffernblatt wischte, ohne zu rucken, unerschütterlich. Und ich verwünschte mich, meine Blödheit, meine Gedankenlosigkeit, meine Hirnrissigkeit oder Risshirnigkeit, alles. Mir kam sogar eine Wortkombination wie »mangelnde berufliche Qualifikation« in den Sinn. Ich spürte geradezu auf der Haut, dass ihre Blicke mich in die Mangel nahmen, ich kam mir vor, als steckte ich statt in Kleidern in Ameisen.
    »Aber natüüürlich«, sagte ich, Raubbau an den Üs betreibend und zugleich so mechanisch und verkrampft, dass es wahrscheinlich nach einem Apparat mit Störungen klang. »Natüüürlich gibt es ein Honorar, hier, bei dieser Studie, oder genauer gesagt ein Geschenk, ja, ein Geschenk ist es, schon aus steuerlichen Gründen, Geld kann man da schlecht geben, so ist es besser, für beide Seiten, darum ein Geschenk. Als Aufwandsentschädigung.«
    Ich holte Luft und
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