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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte
Autoren: Ursula Steen
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schien es nur aus Schlick und Schlamm zu bestehen und war flach wie ein Bügelbrett. Auch architektonisch gab die dicht besiedelte Küstenregion nicht allzu viel her.
    Abends trafen sie sich mit den anderen deutschen Haverpore -Kollegen in einem Nachtklub gegenüber des Hotels. Die meisten waren wieder groß in Fahrt, und ihre albernen Witze zogen Claudia fast die Pumps aus. René dagegen wirkte angenehm zurückgenommen. Ihr fiel auch auf, dass er keinen Alkohol trank. Er schaufelte ihr und Frank zwar den Weg zur Bar frei und spendierte ihnen ein Bier, aber er selbst trank nur Leitungswasser.
    „Es ist Freitagabend, und wir haben das Scheißmeeting endlich hinter uns“, sagte Frank und versetzte ihm einen Stoß in die Seite. „Nun mach dich doch mal locker und trink was Richtiges. Es ist Paaarty, Mann! Die nächste Runde geb ich aus.“
    „Ich mag nicht, vielen Dank.“
    „Herrje, was bist du denn für einer!?“
    „Das reicht jetzt, Frank, zisch ab“, sagte Claudia.
    „Schon gut“, sagte er und fuhr, an René gewandt, fort: „Pass mir gut auf diese Frau auf. Wir sind alle verknallt in sie. Dich kriegt sie auch noch, jede Wette. Du müsstest sie mal mit ihren Kunden erleben. Denen braucht sie nicht mal mit Rabatten zu kommen. Die geben ihr auch so, was sie haben will. Wenn sie wollte, könnte sie denen sogar Nähmaschinen verkaufen oder Saftpressen oder Mittel gegen Fußpilz.“ Er seufzte auf. „Da verlieren wir unser Herz an die süße Claudi, und sie macht immer einen Rückzieher, wenn wir mit ihr ins Bett wollen.“
    „Ist gut jetzt, Frank.“
    „Ich bin schon weg“, sagte er, hob die Hände und verzog in komischer Verzweiflung das Gesicht.
    Nachdem er im Gewimmel verschwunden war, trank René sein Wasser in einem Zug aus, stellte das Glas auf den Tresen und fragte: „Wollen wir tanzen?“ Er wartete Claudias Antwort gar nicht erst ab, sondern nahm gleich ihre Hand und zog sie durch den Trubel auf das Parkett.
    Dass er so rangehen würde, hätte sie niemals gedacht. Als er dann noch ihre Taille umfasste und sie an sich zog, drehte sie rasch ihr Gesicht weg, damit sie ihn nicht ansehen musste. Seine plötzliche Nähe und die hitzig-schwüle Atmosphäre im Klub machten sie ganz nervös.
    Doch zu vorgerückter Stunde und mit steigendem Alkoholkonsum entspannte sie sich allmählich. Leider trank sie wieder mehr, als ihr guttat, tanzte viel zu wild und schrak oft zusammen, wenn sie merkte, dass sie wieder jede Menge wirres Zeug zusammengeredet hatte ...
    Am Samstagmorgen ging es ihr schlecht. Sie hatte einen Kater und mochte sich gar nicht an die vergangene Nacht erinnern. Genauer gesagt: Sie wollte sich nicht daran erinnern.
    Und dann latschte auch noch dieses Mordsvieh durch ihr Zimmer.
    Sie hatte gerade beschlossen, ins Bad zu gehen, um sich die Zähne zu putzen und ein Glas Wasser zu trinken, da sah sie es: etwa doppelt so groß wie ein Hirschkäfer, bräunliche Färbung, der Körper und die Flügel abgeplattet, beißend-kauende Mundbewegungen und Antennen, lang und dünn wie gebogener Schmuckdraht …
    Aus dem Bett zu springen und einen markerschütternden Schrei auszustoßen war eins.
    Sekunden später hämmerte auch schon jemand an die Tür. Es war ihre Kollegin Ina, die im Nebenzimmer wohnte und sich nach ihrem Befinden erkundigte: „Claudia? Claudia!“
    „Eine Kakerlake! Hier ist eine Kakerlake!“, schrie sie.
    „Mach die Tür auf!“
    Claudia stieg in ihre Sneakers und kam der Aufforderung zögerlich nach. Währenddessen ließ sie das Vieh nicht aus den Augen.
    „Das soll weg“, sagte sie zu Ina und deutete mit zittrigen Fingern auf das Tier, das sich gerade unterm Schrank verkriechen wollte.
    Nachdem der erste Schrecken abgeebbt war, versuchten die beiden Frauen das Insekt mit einer aufgerollten Zeitung zur Strecke zu bringen, aber das gelang ihnen nicht.
    Schließlich holten sie René und Maike, um sich mit ihnen zu beratschlagen. Sie kamen überein, den kleinen Krabbler mit einem Zahnputzbecher und einer Postkarte zu fangen. Irgendwann erwischte René ihn tatsächlich und spülte ihn in der Toilette runter. Danach verließen Maike und Ina den Raum, und Claudia und er blieben allein zurück.
    Offensichtlich hatte er noch etwas auf dem Herzen, denn er setzte mehrmals zum Sprechen an und brach wieder ab. Da wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie ein altes Mickymaus-Sleepshirt und Sneakers mit offenen Schnürsenkeln trug und wahrscheinlich eine total lächerliche Figur abgab. Sie
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