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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte
Autoren: Ursula Steen
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er auch genannt: der Bär.“
    Einen Moment lang war es still. René sah sie nur an. Schläfst du noch mit ihm?, fragten seine Augen.
    Sie hielt seinem Blick stand, blieb ihm aber die Antwort schuldig, denn die lautete: Ja, hin und wieder. Leo war im Bett nicht gerade eine Offenbarung, aber wenn sie beide Augen zudrückte … Es ging halt so. Wahrscheinlich musste man akzeptieren, dass irgendwann die Luft aus einer Beziehung heraus war.
    „Du, ich möchte nicht über Leo reden“, sagte sie.
    „Und ich nicht über Tanja“, sagte er.
    „Ich will auch nicht, dass du einen falschen Eindruck von mir bekommst. Ich flirte sonst nicht mit den Kollegen herum, und so was wie das hier hab ich überhaupt noch nicht erlebt. Aber es ist nun mal passiert, und ich glaube … ich glaube …“
    „Nein, sag’s nicht!“
    „Doch, ich sag’s, auch wenn du mich dafür vielleicht hasst. Ich glaube, ich hab mich in dich verliebt, und das tut mir kein bisschen leid. Im Gegenteil, ich wünschte …“
    Er sah sie an, als habe sie etwas Einzigartiges gesagt. Aber er verlor kein Wort darüber. Da schluckte sie und drehte den Kopf weg.
    Eben noch hatte sie sich mit ihm bei einem romantischen Essen unter Laternen sitzen sehen, hatte gesehen, wie sie gemeinsam an einem Strand spazieren gingen und Muscheln sammelten, wie sie sich an ihm abstützte, um den Sand aus ihren Gummistiefeln zu schütten, wie er sie in den Arm nahm, sie küsste und ihr ewige Liebe schwor … All das hatte sie sich so fein ausgemalt. Und nun? Das, was hier und jetzt passierte, hatte mit Romantik nicht mehr viel zu tun.
    Verdammt, jetzt stiegen ihr doch noch Tränen in die Augen. Das durfte nicht sein. Schluss mit Wünsch-dir-was! Selbst wenn nicht mehr aus der Geschichte werden würde: Das, was René und sie in den letzten Tagen und vor allem heute Nacht erlebt hatten, war eine unglaublich schöne Erfahrung gewesen, die ihnen niemand mehr nehmen konnte.
    „Ich hasse dich doch nicht, Claudi“, sagte er schließlich. „Im Gegenteil, ich hab mich auch in dich verliebt, und wie.“
    „Ja ...“, sagte sie nur und wartete auf mehr. Aber da kam immer noch nichts. Er schien wieder ein Stück weit auf Distanz zu gehen. Ob ihm die Sache schon zu tiefgründig wurde?
    Um dieser Frage auszuweichen, lenkte Claudia das Gespräch wieder in andere, unverfänglichere Bahnen. Obwohl es weiter in ihr rumorte. Es sah fast so aus, als wären ihm ihre Vergangenheit und ihre Sehnsüchte völlig egal. Konnte es sein, dass sie sich in ihm geirrt hatte? Vielleicht hatte er sie doch nur ins Bett bekommen wollen oder müssen.
    Nun, das war ihm ja auch gelungen. Herzlichen Glückwunsch.
    Miami International gehörte zu den am meisten frequentierten Flughäfen Amerikas. Ganze Hundertschaften von Fluggästen standen in der Abfertigungshalle herum, reihten sich mit ihrem Gepäck in die Endlosschleifen ein und hofften auf ein baldiges Boarding.
    Unter normalen Umständen hätte dieser Anblick Claudia unendlich frustriert, zumal das Personal wieder nicht die Notwenigkeit sah, ein paar zusätzliche Schalter zu öffnen, sondern lieber in Gruppen und Grüppchen herumstand und plauderte. Aber heute konnten ihr die Wartezeit und der anschließende Flug nicht lange genug dauern, denn sie bedeuteten kostbare letzte Stunden mit René.
    Leider weinte sie fast die ganze Zeit. Er hielt sie im Arm, wiegte sie wie ein Kind hin und her und schien mit den Gedanken weit, weit weg zu sein. Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter und spürte seinen Herzschlag durch das dünne Hemd, und wenn sie Luft holte, um einen neuen herzzerreißenden Schluchzer vom Stapel zu lassen, hörte sie sogar das Ticken seiner Armbanduhr.
    Wie schnell die Zeit verrann … Sie lebte nur noch von Sekunde zu Sekunde und Minute zu Minute.
    „Wir sehen uns doch im Herbst wieder“, sagte er zwischendurch, aber das nützte nichts. Im Gegenteil, jetzt ging es erst richtig los: Große, riesengroße Krokodilstränen rannen ihr über die Wangen, nur dass sie echt waren und einfach nicht versiegen wollten.
    Bis Frank sie schließlich als pubertäre Göre beschimpfte. Er ließ sie sowieso schon seit dem Frühstück spüren, wie sauer er über die Entwicklung der Geschichte war. Nicht nur, dass sie mit René geschlafen hatte. Nein, jetzt prangte auch noch ein deutlich sichtbarer Knutschfleck auf ihrem Hals. Diese Tatsache schien ihn fast am meisten zu erbosen. Wenn er selbst dessen Verursacher gewesen wäre, hätte die Sache natürlich
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