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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte
Autoren: Ursula Steen
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halben Sonntag hinzog. Nachmittags ging es ihm zwar wieder besser, aber insgesamt fühlte er sich noch recht schwach auf den Beinen. Deshalb fragte er Claudi, ob sie mit ihm im Stadtpark spazieren gehen würde. Sie wollte aber nicht.
    „Komm mit, bitte“, sagte er.
    „Keine Chance“, sagte sie. „Ich hab keine Lust, mir eine blutige Nase zu holen, wenn wir dort deiner Frau begegnen.“
    „Die ist doch mit den Kindern in Freising.“
    „Ich geh nirgendwo mehr mit dir hin, René, nicht in dieser Stadt.“
    „Ein kurzer Spaziergang nur, Claudi, bitte! Ich brauch dringend frische Luft.“
    Etwas in seiner Stimme ließ sie aufhorchen, denn sie schaltete sofort von erzürnter Geliebter auf besorgte Krankenschwester um, legte ihm die Hand auf den Unterarm und fragte: „Tut dein Bauch immer noch weh?“
    Er nickte, denn es ging ihm tatsächlich nicht gut, ehrlich gesagt schon die ganzen Tage nicht. Von dem Seminar über Gewinnoptimierung am Freitag hatte er nur einen Bruchteil mitbekommen, denn er war ständig mit seinen grummelnden Eingeweiden beschäftigt gewesen. Und den Samstag hatte er überwiegend auf dem Hotelklo verbracht. Manche seiner Sitzungen waren eine einzige Qual gewesen.
    Gleichzeitig war er froh, dass er in dieser Situation nur das sein konnte, was er war: ein von Dünnpfiff geplagter Mann, der sich nach Ruhe und Aufmerksamkeit sehnte. Claudi kümmerte sich auch rührend um ihn und war in den letzten beiden Tagen schon dreimal in der Apotheke gewesen, um ihm etwas gegen den Durchfall zu besorgen.
    Sie war überhaupt ein ganz wunderbarer Mensch. Im vergangenen halben Jahr hatte er beinahe täglich mit ihr telefoniert und gemerkt, dass sie eine richtig gute Zuhörerin war. Sie ging wirklich auf das ein, was er sagte, egal, ob es um die Arbeit, den Sport oder seine Sehnsucht nach ihr ging. Das hatte er so noch nie erlebt. Sie war einfach anders als die Frauen, die er bisher kennengelernt hatte. Tanja hörte ihm nie zu, wenn er etwas sagte. Claudi und er hingegen schwammen auf einer Wellenlänge und hätten nicht natürlicher und vertrauter miteinander umgehen können. Es war wirklich Liebe auf den ersten Blick gewesen mit ihnen beiden.
    Auch körperlich harmonierten sie bestens. Da er mit den Augen sprechen konnte und sie mit den Händen sehen, ergänzten sie sich auf ideale und wundersame Weise. Wie er ihren warmen, weichen, vollkommenen Schneewittchenkörper liebte, ihre porzellanhelle Haut, die so fein und seidig war, als wäre sie digital nachbearbeitet worden, ihre schwarzen Haare, die ihr Gesicht einrahmten wie das einer Madonna, ihre blauvioletten Augen, die etwas Edelsteinartiges an sich hatten, und ihren vollen sinnlichen Mund, der ihn ganz kirre machte … Als sie am Mittwoch und Donnertag zusammen im Tagungsraum saßen, hatte sie es jedes Mal geschafft, ihm mit angedeuteten Gesten, spielerischen Bewegungen und beiläufigen Bemerkungen kleine Versprechen zu machen, die sie später im Hotelzimmer umgehend einlöste. Wenn er daran dachte, wie sie sich am Mittwochabend für ihn ausgezogen hatte, wurde ihm jetzt noch schwummerig.
    Sie war so lebendig, in jeder Beziehung. Kein Wunder, dass die Kerle bei ihr Schlange standen. Aber züchtig, wie sie war, sie hatte bisher noch keinen erhört. Nur ihn. Das war schon ziemlich schmeichelhaft.
     Obwohl … Da war auch etwas, das René zutiefst verstörte. Sie hatte diese Narben unter dem rechten Rippenbogen und an den Hüften. Er mochte sie nicht fragen, woher die stammten, denn er fand, dass ihm das nicht zustand. Wahrscheinlich hatte er auch Angst vor der Antwort. Auf jeden Fall schien Claudi ihre Gründe zu haben, nicht mit ihm darüber zu sprechen, und die waren nur ihr bekannt.
    Ansonsten war aber alles schön mit ihr, einfach alles. Das Problem war nur, dass dieses „Alles“ im Normalfall ausschließlich per Telefon, SMS oder Mail stattfinden konnte. Weil er das so gewollt hatte und immer noch wollte.
    Was war er doch für ein Idiot!
    „Was macht der Bär?“, fragte er, als sie später in den Stadtpark einbogen. Dann horchte er seinen eigenen Worten hinterher und konnte es selbst kaum glauben. Warum wollte er ihre kostbare gemeinsame Zeit verschwenden, indem sie über Leo sprachen? Er hasste den Kerl doch und wünschte, seine Beziehung zu Claudi würde floppen. Er wünschte ihm überhaupt alles nur erdenklich Schlechte an den Hals. Gleichzeitig musste er seinen Gegner genau im Auge behalten und so viel wie möglich über ihn in Erfahrung
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