Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte
Autoren: Ursula Steen
Vom Netzwerk:
anders ausgesehen, aber so …
    Der Fleck sorgte auch bei den anderen für Gesprächsstoff. Sie warfen Claudia und René anzügliche Blicke zu, steckten die Köpfe zusammen und tuschelten miteinander. In ihren Stimmen schwang Respekt, Verblüffung und Neid mit. Viele Kolleginnen hätten wer weiß was drum gegeben, mit Claudia den Platz zu tauschen. Eine raunte der anderen sogar zu: „Ich hab dir doch gesagt, dass er nicht schwul ist. Aber du wolltest mir ja nicht glauben.“
    „Wie geht es denn nun weiter mit uns beiden?“, fragte Claudia, nachdem sie sich halbwegs beruhigt hatte.
    „Ich weiß es nicht“, sagte René hilflos und unglücklich. „Ich würde dich gern wiedersehen, auch privat, aber wir sind beide verheiratet. Du lebst im Norden, ich im Süden, und ich fürchte …“
    „… dass wir gehen müssen, jeder dahin, wo er hergekommen ist.“
    „Ja“, sagte er und erklärte ihr in einem atemlos vorgetragenen und ziemlich wirren Monolog, was er damit meinte: dass sie beide ihre Vergangenheit nicht wegwischen könnten … dass Claudia ihr eigenes Leben habe, genauso wie er … dass er es nicht fertigbringe, seine Frau zu verlassen, auch wenn ihre Ehe inzwischen nur noch auf Autopilot laufe … dass er seinen Jungs nicht den Papa nehmen könne und wolle … dass er sich um seine dementen Eltern kümmern müsse, die bei ihm in der Nähe in einem Heim lebten … dass er sich aber bis über beide Ohren in Claudia verliebt habe und sie gern bei den Meetings wiedersehen würde … dass sie in der Zwischenzeit übers Telefon und Internet in Kontakt bleiben könnten … dass sich die Dinge vielleicht eines Tages ändern würden, aber jetzt eben noch nicht … und dass es ihm leidtun würde, wahnsinnig leid …
    So viel und so lange hatte er in den ganzen fünf Tagen ihrer Bekanntschaft nicht geredet. Und das Schlimmste war, dass er sich nach jedem zweiten Satz entschuldigte.
    Trotzdem hörte Claudia ihm aufmerksam zu, und irgendwann fing sie sogar an zu lächeln. Sie lächelte und lächelte und lächelte, und dabei dachte sie: Ich verlang gar nichts von dir, du Mistkerl!
    Als er endlich fertig war, rückte sie ein Stück von ihm ab, putzte sich die Nase und fragte dann, heftiger als beabsichtigt: „Gibst du mir jetzt endlich deine verdammte Telefonnummer? Oder muss ich sie mir selbst holen?“
    „Aber ja, ich geb sie dir gleich“, sagte er rasch, griff zu Kugelschreiber und Notizblock und schrieb ihre beiden Nummern auf zwei Zettel. „Ich ruf dich an“, sagte er. „Gleich wenn wir zu Hause sind, jeden Tag, zweimal am Tag, dreimal am Tag, siebzehnmal …“
    „Ja sicher doch“, sagte Claudia, nahm ihren Wisch entgegen und schob ihn achtlos in ihre rückwärtige Jeanstasche. Wer’s glaubt, wird selig, dachte sie.
    Aber letztlich war sie ein tapferes Mädchen. Sie gab René auf, ohne ihm eine Szene zu machen. Sie tobte nicht, sie raste nicht, sie vergriff sich nicht im Tonfall … Sie warf ihm nicht mal ihr Handgepäck an den Kopf.
    Zu Hause warteten Tanja, Franzl und Moritz. Hoffentlich hatten sie wenig Vergnügen mit ihm. Das wünschte sie sich von ganzem Herzen. Gleichzeitig wünschte sie, dass es ihm gut gehen möge und dass er sein Glück fand oder behielt. Und am dringendsten wünschte sie sich, ihn wiederzusehen. Trotz allem.
    Die Frage war nur: Würde es jemals dazu kommen? Und wenn ja, wie würden sie dann zueinander stehen?

Kapitel 2: Vor neun Jahren
     
    Das bundesweite Salesmeeting fand dieses Jahr im Süden der Republik statt. Für René war es also ein Heimspiel. Er nahm sich trotzdem ein Hotelzimmer. Warum, war klar.
    Die ersten beiden Tage mit Claudi waren ein einziger Rausch. Wenn sie nicht in der Schulung oder in einem Restaurant saßen, blieben sie zum Ärger ihrer Kollegen fast ausschließlich in ihren Zimmern, bedienten sich an den Minibars, liebten sich und gingen in jeder Beziehung völlig ineinander auf.
    Nur zweimal trübte sich die Stimmung zwischen ihnen leicht ein.
    Das erste Mal war, als René nachsah, ob Claudi in noch ihren Ehering trug, und sie sich darüber lustig machte. Und das zweite Mal war, als sie gemeinsam einen Biergarten besuchten und Claudi ihm dort unterstellte, dass er sich die ganze Zeit mit gerecktem Hals im Raum umsah und nach seiner Frau oder irgendwelchen Bekannten Ausschau hielt.
    Gott sei Dank waren diese beiden Verstimmungen schnell wieder vergessen.
    Dafür bekam René am Freitag einen Durchfall, der sich auch noch über den ganzen Samstag und den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher