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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte
Autoren: Ursula Steen
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Straßenrands gab es viele Wasserlöcher, um die sich die Echsen wie geparkte Kleinwagen um einen Dorfweiher scharten. Sie lagen einfach nur da, brüteten in der Sonne und verströmten einen schrecklichen Gestank nach Morast und faulen Eiern.
    Natürlich musste Frank an einem dieser Löcher anhalten, aussteigen und sich langsam und mit gezückter Kamera auf die Reptilien zubewegen, war ja klar. Maike schimpfte, er solle zurückkommen, aber er kümmerte sich nicht darum. Also stieg sie selbst aus und folgte ihm, wenn auch widerwillig. Sogar die schüchterne Ina traute sich aus dem Wagen. Allerdings schlotterte sie vor Aufregung und bewegte sich nur mit dem Tempo eines Leguans vorwärts. Gemeinsam näherten sich die drei den Tieren bis auf wenige Meter.
    Claudia beäugte die Szene ängstlich und fasziniert zugleich. Währenddessen stachen die Mücken sie in Arme und Beine, landeten auf ihrem Gesicht und gingen sogar auf ihre Gehörgänge los. Aber sie ignorierte die Plage und hatte nur Augen für ihre Kollegen und die regungslos daliegenden Viecher. Ob die heute schon gefrühstückt hatten? Oder bewachten sie gar ihre Gelege und würden dementsprechend sauer reagieren, wenn sie meinten, dass sich jemand daran vergreifen wollte?
    Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus, beugte sich zum Fenster hinaus und rief: „Kommt zurück, ihr Wahnsinnigen!“
    Prompt drehte einer der Alligatoren den Kopf in ihre Richtung und blinzelte sie aus tückischen Augen an. Ein Mückenschwarm umsirrte seinen Kopf und verschleierte ihm die Sicht, aber er war hellwach und konzentriert bis in die Schwanzspitze. Obwohl die Hitze unbeschreiblich war, lief Claudia bei diesem Anblick ein eiskalter Schauer über den Rücken. Das Tier umgab eine Aura von Unberechenbarkeit und Gewalt, und es war gut möglich, dass es plötzlich losstürmte und Frank oder den anderen mit einem Schnapp den Arm oder das Bein vom Leib riss.
    Gott sei Dank traten sie endlich den Rückzug an, beschleunigten mehr und mehr ihren Schritt und sprangen schließlich mit einem Juchzer ins Auto und schlugen die Türen zu.
    Darüber war Claudia so erleichtert, dass sie tief Luft holte und René in einer Geste tiefer Dankbarkeit die Hand auf den Unterarm legte. Sie war froh, dass er sich nicht an der Aktion beteiligt hatte, und sie war auch froh, dass er die peinliche Situation heute Morgen so nett überspielt hatte. Einen Moment später zog sie ihre Hand wieder zurück, berührte dabei aber sein Knie. Eine zarte unbeabsichtigte Geste, die ihr durch und durch ging. Er drehte den Kopf herum und sah ihr in die Augen.
    Da machte es zooom bei ihr! Eine Art Taumel erfasste sie, und obwohl sie nicht vorhatte, sich auf irgendetwas einzulassen, wurde ihr klar, dass sie auf dem besten Weg war, sich in ihn zu verlieben.
    Die nächste Station der fünf war eine Rangerstation im Zentrum der Everglades. Aber es dauerte ewig, bis sie dort angekommen waren, denn auf dem Weg dorthin mussten sie jeden Pizza- und Sandwichladen anfahren, der von der Straße aus zu sehen war. Renés Appetit war ungebrochen, und Franks Durst auf Bier war sowieso kaum zu stillen. Weil er wieder zu viel und vor allem zu öffentlich trank, übernahm René irgendwann das Steuer. Natürlich fuhr er so zurückhaltend und gelassen, wie Claudia es von ihm erwartet hatte.
    Auf die übliche Touritour in den Everglades verzichteten sie, denn erstens stinkte und lärmte so ein Propellerboot und würde sämtliche Alligatoren im Umkreis von einer Meile in die Flucht schlagen, und zweitens ging einem das Getöse des Motors selbst nach kurzer Zeit auf die Nerven. Also wählten sie die Ökovariante und paddelten per Kanu durch das schwarzgraue Sumpfwasser des Nationalparks und durch Herden von Alligatoren. Das gefiel ihnen sehr gut, denn ihr Begleiter zeigte und erklärte ihnen viele Dinge. Einmal durften sie einem Babykrokodil sogar über den Kopf streichen.
    Als sie nach einem langen Tag abends im Hotel ankamen, waren sie so geschafft, dass sie sich gleich auf ihre Zimmer zurückzogen und wie Steine ins Bett fielen.
    Den Höhepunkt ihrer Freizeit sollte ein Ausflug auf die Keys darstellen. Gerade Key West am Ende der Inselkette war laut Reiseführer einer der schönsten Flecken in Südflorida. Angeblich war schon die Anfahrt auf dem 205 Kilometer langen Overseas Highway ein außergewöhnliches Erlebnis.
    Das mochte durchaus angehen, aber Claudia bekam nicht viel davon mit. Während Frank, Maike und Ina im Fond des Wagens fläzten,
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