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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm
Autoren: Krystyna Kuhn
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Obwohl Nietzsche gesagt hat, Gott ist tot! Sie waren verrückt nach seinen Vorlesungen.«
    Chris erstarrte.
    »Er hat Vorlesungen über Nietzsche gehalten. Hat Brandon euch schon darüber berichtet? Hat er von ihrem sogenannten Zirkel erzählt, den Bishops Vater geleitet hat? Professor John Bishop war sehr eigen mit der Auswahl seiner Studenten.«
    »Und Sie gehörten nicht dazu?«, unterbrach ihn Julia. Noch immer stand sie gefährlich nah an dem offenen Grab.
    »Nein! Ich gehörte nicht dazu. Nur mein Bruder.«
    »Aber warum?«
    »Was?« Für einen Moment sah der Professor ehrlich interessiert aus.
    Gut so, dachte Chris. Gut, Julia! Verwickle ihn in ein Gespräch! Lenk ihn ab!
    »Warum haben sie dieses Kreuz aufgestellt mit Ihrem Namen?«
    »Als Drohung. Damit ich nichts verrate.« Der Professor antwortete bereitwillig. Es schien, als brenne er darauf, die ganze Geschichte zu erzählen, sich endlich jemandem mitteilen zu können.
    »Aber woher wussten Sie überhaupt davon?«
    Forster schüttelte den Kopf und sagte: »Er war mein kleiner Bruder.«
    Er trat wieder auf Julia zu, doch die war schneller. »Was?«, schrie sie. »Was wollten sie dort oben?«
    Und tatsächlich – wieder funktionierte es. Forster schien abermals abgelenkt.
    »Sie sprachen die ganze Zeit von ihrem Experiment.«
    »Experiment?«
    Er schwieg eine Weile und sprach dann weiter. »Sie nannten den Ghost den Berg der Erkenntnis. Sie waren verrückt. Bishop hat sie total verrückt gemacht mit seinem Gerede davon, dass Gott tot sei und der Mensch sich selbst überwinden müsse. Und dass dies nur über den Weg der Erkenntnis möglich sei.«
    »Aber ich verstehe immer noch nicht, warum Sie denken, jemand hätte Ihren Bruder dort oben umgebracht! Keiner von ihnen ist je zurückgekehrt, oder?«
    »Man hat nach ihnen gesucht.« Forster blickte plötzlich hoch, sah in seine Richtung und für einen Moment dachte Chris, er hätte ihn entdeckt. Doch dann drehte er sich wieder um. »Und bis vor Kurzem war ich noch überzeugt, dass keiner überlebt hat.«
    Chris hörte eine andere Stimme in seinem Kopf, weinerlich, undeutlich vom vielen Alkohol. Sie sind alle dort oben gestorben, Chris. Und ich bin schuld!
    »Aber ich habe mich getäuscht. Dein Vater hat überlebt! Und du wirst für das Verbrechen büßen, das Mark begangen hat!«
    Chris sah, wie Julia den Kopf schüttelte. Wieder und immer wieder. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden! Mein Vater heißt Frost. Colin Frost. Und er hat nichts damit zu tun. Er war nie auf diesem College. Sie müssen mich...«
    Bevor Julia noch zu Ende reden konnte, hob Forster seine Waffe.
    »Ironie des Schicksals, Julia Frost«, sagte er.

30. Kapitel
    D er Schnee war überall. In ihrem Mund, der Nase, den Ohren. Debbie konnte nicht atmen, versuchte aufzustehen, keuchte, zwang Luft in ihre Lungen. Noch immer fühlte sie den harten Lauf der Waffe an ihrer Stirn. Und während sie das Gefühl hatte, ihre Lungen würden platzen, fühlte sie gleichzeitig eine überwältigende Leere in sich hineinströmen.
    Enttäuschungen.
    Wenn Debbie darüber nachdachte, dann wäre das vielleicht ihre längste unvollendete Liste.
    Liste No. 233 – Menschen, die mich am meisten enttäuscht haben.
    Geradezu unendlich lang.
    Sie begann mit ihrem Vater und endete bei... Forster.
    Immer und immer wieder.
    Enttäuschte Hoffnungen.
    Enttäuschte Gefühle.
    Ein Vater – den sie nicht kannte.
    Ein Stiefvater – der sie nicht liebte, ja nicht einmal mochte.
    Jake – ihre erste große Liebe, dem sie ihre Jungfräulichkeit geschenkt hatte.
    Dann Mr Green, der als ihr Psychiater der Anwalt ihrer Seele sein sollte und versuchte, ihr einzureden, sie sei nicht Herrin ihres Verstandes.
    Mr Wood, der sie im letzten Jahr der Abschlussklasse der Highschool in Geografie unterrichtet hatte. Sie hatte ihm noch ein halbes Jahr lang vom Grace College aus Briefe geschickt und er hatte auf keinen einzigen geantwortet.
    Alex, ihr ehemaliger Studien-Counselor, der ihr Hoffnungen gemacht hatte und sich dann als Mörder von Angela Finder herausgestellt hatte.
    Und jetzt Professor Peter Forster. Sie hatte sich durch alle Bände seines Lieblingsautors gequält. Hatte ihm Zitate von Proust per SMS geschickt wie zum Beispiel Die Erschaffung der Welt hat nicht ein für alle Mal stattgefunden, sie findet unabwendbar alle Tage wieder statt.
    Sie hatte Studenten bei ihm angeschwärzt und ihm Kaffee zu den Vorlesungen mitgebracht.
    Wenn Debbie nun darüber nachdachte, dann standen auf
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