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Schlangenaugen

Schlangenaugen

Titel: Schlangenaugen
Autoren: Carol Grayson
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    U nter dem violettgrauen Himmel sammelte sich eine bleierne Schwüle, perlte auf die schwarzen Leiber der Arbeiter und tropfte mit ihren melancholischen Liedern in die ausgetrocknete Erde. Einer Erde mit Stauden voller flauschiger, weißer Tupfen. Baumwollfelder, soweit das Auge reichte. Leiser, rhythmischer Gesang, unter schweren Körben gebeugte Rücken, an denen schweißnasse Kleidungsstücke klebten. Viele dieser Rücken wiesen Striemen von Bullpeitschen auf, hässliche Narben, die neben dem Brandzeichen des Besitzers die Zeichen der Sklaverei waren. Von den nahegelegenen Sümpfen mischte sich das abendliche Konzert der Frösche in den schwermütigen Rhythmus aus Stimmen und stampfenden Füßen. Trotz ihrer Lasten, den eisernen Ketten an den Fußgelenken und dem Knallen der Peitschen sangen diese Menschen, beseelt von dem Wunsch nach Erlösung von ihren Fesseln. Auch wenn ihre Lieder meist religiöser Natur waren, so wusste man doch nie, zu welchem Gott sie flehten. Viele von ihnen waren zwangsgetauft und bekehrt worden, doch tief in ihren Herzen existierten noch immer die alten Götter Afrikas.  
    Berittene Arbeiter geleiteten den Zug von Männern, Frauen und Kindern zurück zur Plantage, wo der Wiegemeister den Inhalt der vollgestopften Körbe in leinerne Säcke presste, diese an einem Haken wog und die ausgewiesene Zahl akribisch notierte. Die Ernte war zufriedenstellend für heute. Mit einem Kopfnicken wies Robert Linsey, der Wiegemeister, den Oberaufseher an, dass die Sklaven ihr Abendessen heute verdient hatten. Die ganze Szene wurde von der Veranda der Cloudy Moon Plantage aus beobachtet. Ibrahim McMillan, der Master, stand dort an eine Säule gelehnt und ertränkte die Hitze und den Gestank um sich  herum mit einem Glas Scotch. Trotz der Schwüle trug er eine rote Seidenweste über dem weißen Hemd, die über dem Bauch leicht spannte. Seine Beine steckten in grauen Hosen und diese wiederum in hohen Reitstiefeln. Das eisige Blau seiner Augen unter dem breitkrempigen Hut war das einzige, das an diesem gewittergetränkten Abend Kälte versprach. Grausame Kälte. McMillan besaß keinen guten Ruf, was die Behandlung seiner Sklaven anging. Doch den besaßen die wenigsten der Plantagenbesitzer in den Südstaaten im Jahre 1843. Erst recht nicht hier in Louisiana.
    Der Mittvierziger war seit drei Jahren Witwer. Seine Frau war bei der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes gestorben. Wenige Wochen danach auch der Säugling. An einem Fieber, so hieß es. Dieses dreckige Land mit seinen Sümpfen voller Stechmücken hatte McMillan das Liebste genommen und den Nachfolger für sein Lebenswerk. Seit dieser Zeit ließ Ibrahim seinen Schmerz an den Schwarzen aus. Ihre Schmerzen waren seine Schmerzen. Ihre Schreie waren seine Schreie.
    Keine gute Zeit für eine junge Frau wie Annabelle. Einen Nachnamen hatte man dem Mädchen bei ihrer Geburt nicht gegeben. Ein Vorname reichte für die Farbigen wie für das Vieh aus. Gerade neunzehn Jahre zählte die hübsche junge Frau mit den ausgeprägten Rundungen. Der Oberaufseher Tom Stratton hatte sie auf dem Sklavenmarkt in Baton Rouge gekauft. Stratton schwang die Peitsche aus Gewohnheit, schon beim kleinsten Vergehen. Selbst ein Atmen zur falschen Zeit konnte auf den Plantagen bereits ein Vergehen sein. Manche der Aufseher hatten scharfe Hunde bei Fuß laufen, die genau wie Hütehunde jeden Schritt der Schwarzen beobachteten und die Herde der schwitzenden Menschen beisammen hielten. Sie sorgen dafür, dass auf den Feldern niemand aus der Reihe tanzte oder sich allzu weit entfernte. Dreimal am Tag wurde eine Kelle Wasser an jeden Sklaven verteilt. Zur Mittagszeit gab es einen Kanten Brot oder eine Kelle dünne Suppe für jeden. Trotz dieser schlechten Behandlung sangen sie - Lieder von Hoffnung und Freiheit. Ab und zu zog ein Reiher oder ein Schwarm Pelikane von den Bayous über die Baumwollfelder. 
    An diesem Abend stach Annabelle bei ihrer Rückkehr von den Feldern dem Plantagenbesitzer McMillan ins Auge. Gerade, als sie ihren Korb bei Linsey ablieferte. Ihr weiß-blau geblümtes Baumwollkleid klebte an ihrem Körper und betonte ungewollt die weibliche Figur. In McMillans Augen trat ein böses Glitzern. Der Master gab Tom Stratton mit der Hand ein Zeichen, die junge Frau mit dem schlichten Kleid aus der Schlange der Anstehenden herauszuholen und zu ihm zu bringen. Grob packte  Stratton die kleinere Sklavin mit dem krausen, schwarzen Haar am Arm und zerrte sie vor
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