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Der Sturm aus dem Nichts

Der Sturm aus dem Nichts

Titel: Der Sturm aus dem Nichts
Autoren: James G. Ballard
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ein kleines Boot der J-Klasse, und Matheson war außer ihm der einzige Offizier an Bord. Was ihn bedrückte war die Möglichkeit, daß ihm die Aufgabe zufallen könnte, nach Nizza zu fahren und Van Damm zu holen.
    Lanyon mußte lächeln. Er hatte Matheson gern; er war ein netter Junge mit unbekümmertem Humor. Aber ein Held war er nicht.
    »Was steht denn jetzt auf dem Programm?« bohrte Matheson weiter. »Bis Nizza sind's zweihundertfünfzig Meilen die Küste entlang, und weiß der Teufel, wie's da aussieht. Meinen Sie nicht, man sollte 'n bißchen dichter 'rangehen? Vor Monte Carlo kann man recht gut ankern.«
    Lanyon schüttelte den Kopf. »Da wimmelt's von zerstörten Jachten. Das Risiko ist mir zu groß. Keine Angst, die Windstärke beträgt nicht mehr als neunzig. Vermutlich geht sie heute noch wieder 'runter.«
    Matheson schnaufte unglücklich. »Das kriegen wir nun schon seit drei Wochen zu hören. Ich finde, wir hätten einen ganz schönen Vogel, wenn wir zwei, drei Männer verlieren nur um eine Leiche abzuholen.«
    Lanyon ließ die Bemerkung durchgehen und sagte ruhig: »Noch ist Van Damm nicht tot. Er hat seine Pflicht getan, also müssen wir die unsere auch tun.«
    Er stand auf, holte eine dicke Windjacke vom Schott über dem Schreibtisch und schnallte die Dienstpistole um. Dann zog er die Uniform glatt und begutachtete sich im Spiegel.
    Nachdem er die Mütze aufgesetzt hatte, öffnete er die Tür. »Gehen wir und sehen mal nach, wie's oben aussieht.«
    Sie stiegen hinauf in den Turm und betraten über die Gangway den schmalen Steg, der an der Bunkerwand entlanglief. Eine enge Treppe brachte sie über die Werkstätten hinweg zu den Kommandoständen am anderen Ende der Bunker.
    Im ganzen gab es drei Bunker, jeder mit Platz für vier U-Boote, doch zur Zeit befanden sich nur drei Boote an ihren Liegeplätzen.
    Alle Fenster, an denen sie vorüberkamen, waren vermauert doch selbst durch den drei Fuß dicken Beton hörten sie das stete Brausen des Sturmes.
    Ein Matrose führte sie in ein Büro der Personalabteilung, wo Major Hendrix, der Verbindungsoffizier, sie begrüßte und bat, Platz zu nehmen.
    Das Büro war warm und gemütlich, doch irgend etwas an Hendrix verriet Lanyon, daß die Verhältnisse draußen vermutlich weniger gemütlich waren.
    »Gut, daß Sie da sind, Commander«, sagte Hendrix. Auf seinem Tisch lagen ein Stapel Kartentaschen und ein Bündel Geldscheine. Er schob sie ihnen zu. »Nehmen Sie's mir nicht übel, wenn ich sofort zum Thema komme, aber die Army verläßt Genua heute noch, und ich stecke bis über die Ohren in Arbeit.« Er warf einen flüchtigen Blick auf die Wanduhr und schaltete die Sprechanlage ein. »Sergeant, was haben die letzten Messungen ergeben?«
    »Einhundertfünfzehn, und zwohundertfünfundsechzig Grad, Sir.«
    Hendrix sah Lanyon an. »Einhundertfünfzehn Meilen die Stunde und im allgemeinen direkt aus Ost, Commander. Das Fahrzeug wartet in der Transportabteilung auf Sie. Wir können Ihnen einen Fahrer von der Navy und zwei Sanitäter aus dem Krankenrevier mitgeben.« Er stand auf und kam um den Schreibtisch herum. »Die Küstenstraße ist wohl noch offen, aber nehmen Sie sich in den Ortschaften vor einstürzenden Häusern in acht.« Sein Blick ging zu Matheson. »Ich nehme an, der Leutnant wird Van Damm abholen, Commander?«
    Lanyon schüttelte den Kopf. »Nein, ich fahre selbst, Captain.«
    »Augenblick mal, Sir«, wollte Matheson aufbegehren, doch Lanyon winkte ab.
    »Geht schon in Ordnung, Paul. Jetzt möchte ich mich draußen mal ein bißchen umsehen.«
    Matheson machte noch Anstalten zu einem Protest, zog es dann aber doch vor, den Mund zu halten.
     
    Sie gingen durch lange Korridore zur Transportabteilung, während der Wind draußen unaufhaltsam an Stärke zunahm. In die Ausgänge waren Drehtüren eingebaut worden, bedient von je zwei Männern mit kräftigen Kurbeln.
    Sie holten den Fahrer, und Lanyon wandte sich an Matheson. »In sechs Stunden, wenn wir über die Grenze kommen, rufe ich Sie an. Setzen Sie sich dann mit Hendrix in Verbindung und geben Sie mir Bescheid, wenn von Tunis etwas einläuft.«
    Lanyon zog den Reißverschluß seiner Windjacke zu, nickte zum Fahrer und trat in die Drehtür. Die Männer setzten die Kurbeln in Bewegung, und Lanyon trat hinaus ins grelle Tageslicht und in einen bösartigen Luftwirbel, der ihn vor sich her quer über das schmale Stück zwischen den beiden hohen Betongebäuden wirbelte. Sandwolken zischten durch die Luft,
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