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Der Sturm aus dem Nichts

Der Sturm aus dem Nichts

Titel: Der Sturm aus dem Nichts
Autoren: James G. Ballard
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dröhnten mit schweren Schlägen massive Seen dagegen und versetzten das Wasser im Bunkerbecken immer von neuem in Unruhe. Die Terrapin schwoite an ihren Festmacherleinen, während die Wellen sich an der Abschlußmauer des Bunkers brachen und das Heck des Bootes mit Gischt übersprühten.
    Lanyon wartete, bis sämtliche Taue festgemacht waren, und gab dann dem Hafenmeister in seinem wie ein Erker aus der Wand herausgebauten Kommandostand ein Zeichen. Er ließ sich durch das Turmluk hinunter, kletterte den Niedergang hinab bis in den Kommandostand, schwang sich um den Periskopsockel herum und ging in seine Kabine.
    Er hockte sich auf den Kojenrand und lockerte den Kragen. Automatisch paßte sich sein Körper dem rhythmischen Heben und Senken des Bootes an. Nach der ruhigen, dreitägigen Fahrt durchs Mittelmeer in gleichmäßiger Tiefe von zwanzig Faden kam ihm die Wasseroberfläche wie eine Berg- und Talbahn vor. Seine Befehle lauteten, unterwegs einmal versuchsweise aufzutauchen, und zwar in einer geschützten Bucht vor der Westküste Siziliens, doch noch ehe der Turm die Wasseroberfläche durchschnitt, hatte die Terrapin um dreißig Grad zu gieren begonnen und war überdies von einer ungeheuren See so schwer getroffen worden, daß sie sich fast senkrecht aufs Heck stellte. Von da an waren sie unten geblieben, bis sie das verhältnismäßig geschützte Wasser des U-Boot-Stützpunktes Genua erreichten, doch selbst hier war es nicht leicht gewesen, um die voller Wrackteile hängenden doppelten Wellenbrecher herumzunavigieren.
    Wie es oben aussah, mochte sich Lanyon gar nicht erst vorstellen. Tunis, wo die Reste der Sechsten Flotte zusammengezogen worden waren, lag in Trümmern. Riesige Seen wuschen über das Hafengelände hinweg und schickten fast meterhohe Wogen bis zu dreihundert Yards landeinwärts durch die Straßen. Unablässig peitschten sie den großen Fünfundneunzigtausendtonner Eisenhower und die beiden Kreuzer die an der Pier festgemacht hatten. Als er die Eisenhower zuletzt sah hatte sie etwa fünfundzwanzig Grad Schlagseite, und das ständige Auf und Nieder des Schiffes hatte riesige Betonbrocken aus den Pierwänden gerissen.
    Genua, geschützt durch die umliegenden Hügel und die Landmasse der Halbinsel, schien ruhiger zu sein.
    Lanyon warf seine Mütze auf den Tisch und streckte sich in der Koje aus. Er, als U-Boot-Fahrer, hatte das herrliche, wenn auch eingestandenermaßen unvernünftige Gefühl, daß der Wind nur die anderen anging. Er war achtunddreißig Jahre alt und hatte seit über fünfzehn Jahren, seit seiner Ausbildung in Annapolis, im U-Boot-Dienst gestanden, und die traditionsbedingte Überheblichkeit dieser Waffengattung hatte ganz und gar von ihm Besitz ergriffen. Lang und hager, wirkte er auf Fremde oftmals mürrisch und eigenbrötlerisch, doch er hatte seit langem erkannt, daß eine gewisse Zurückhaltung ihm wesentlich mehr Freiheit zum Handeln ließ.
    Van Damm lebte also noch. Der Captain, der den Marschbefehl für die Terrapin ausstellte, hatte Lanyon anvertraut, daß der General vermutlich nicht mehr am Leben sei wenn sie nach Genua kämen, doch ob dies nun der Wahrheit entsprach oder nur ein psychologischer Schachzug war, das herauszufinden, hatte Lanyon keine Möglichkeit. Sicher, Van Damm war bei dem Flugzeugunglück in Orly schwer verletzt worden, doch er hatte Glück gehabt und die Katastrophe überlebt. Die Besatzung und zwei Adjutanten des Generals waren auf der Stelle tot gewesen.
    Jetzt hatte man Van Damm nach Nizza gebracht, und die Terrapin sollte versuchen, ihn herauszuholen. Lanyon fragte sich, ob das der Mühe wert sei. Bis zu dem Unfall hatte man in Van Damm den zukünftigen Kandidaten der Demokratischen Partei für die bevorstehenden Wahlen gesehen, doch nun war er wohl kaum noch von Interesse für die Parteibonzen. Sei dem, wie ihm wolle, dies war eine Art Ehrenschuld, die bezahlt werden mußte. Nach dreijähriger Dienstzeit als Oberkommandierender der NATO stand Van Damm jetzt sowieso zur Pensionierung an, und das Pentagon mußte nun die Verpflichtung erfüllen, die es bei seinem Dienstantritt eingegangen war.
    Es klopfte, und Leutnant Matheson, Lanyons Zweiter Offizier, steckte den Kopf herein.
    »Okay, Steve?«
    Lanyon schwang die Beine aus der Koje. »Klar. Kommen Sie 'rein!«
    Matheson machte einen bekümmerten Eindruck.
    »Ich habe gehört, Van Damm hält noch immer durch? Dachte, der wär' schon längst hinüber.«
    Lanyon zuckte die Achseln. Die Terrapin war
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