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Hochzeit in St. George (German Edition)

Hochzeit in St. George (German Edition)

Titel: Hochzeit in St. George (German Edition)
Autoren: Sophia Farago
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I.
    »Verdammt, Willowby, Sie haben schon wieder gewonnen!« Immer wenn sich der ehrenwerte Mr. Geoffrey Steanton erzürnte, dann färbten sich seine breiten Wangen rot, und der Schweiß, der ihm von seiner niedrigen Stirn in den Nacken rann, verdarb die Pracht seiner makellos weißen, gestärkten Hemdkragen. In diesem Augenblick war Mr. Steanton nicht nur auf das äußerste erzürnt, sondern ebenso verbittert und wütend über sich selbst. Er kramte ein großes Taschentuch aus seiner Hosentasche und rieb sich Stirn und Nacken trocken. Warum hatte er sich auch auf dieses Spiel eingelassen? Wie hatte es Hugh genannt? Ein Abend unter Freunden! Mr. Steanton blickte in die Runde. Na, als seine Freunde würde er die hier anwesenden Herren nicht bezeichnen. Außer seinem Gastgeber Lord Hugh Deverell natürlich. Hugh war ein Ehrenmann, dafür konnte er seine Hand ins Feuerlegen. Er war etwa in seinem Alter, Anfang dreißig, und hatte zur selben Zeit die Universität in Cambridge besucht. Dort waren sie zwar nicht wirklich Freunde geworden, aber doch Bekannte, die sich achteten und schätzten. Dennoch war es ein verflixtes Pech gewesen, daß er gerade Hugh in die Arme gelaufen war, als er gestern für einige Tage in die Hauptstadt gekommen war.
    Er hatte ein neues Gespann und mehrere Pferde im Tattersall kaufen wollen. Nun war all das Geld, das er für diese Käufe vorgesehen hatte, längst über den Spieltisch gewandert. Mr. Steantons Blick blieb an dem Gesicht seines Gegenübers hängen. Mr. Richard Willowby. Er hatte den Mann nie leiden können, doch noch nie mochte er ihn weniger als gerade eben. Er war ein Tunichtgut, ein Spieler, ein Dandy, der in den Tag hinein lebte, ohne einer einzigen Pflicht nachzugehen. Wie er da saß, lässig in seinen Stuhl zurückgelehnt, das rechte Bein in modischen zartgrauen Hosen neben dem Tisch ausgestreckt! Seine blonden Locken waren in Unordnung, das Halstuch gelockert, die Lippen zu einem spöttischen Grinsen verzogen. Mit einer fast liebevollen Geste strich er die Münzen, die er gewonnen hatte, ein und stapelte sie, je nach ihrem Wert, zu Häufchen, die sich bereits vor ihm auftürmten. Womit dieser Mann wohl seinen Unterhalt bestritt? Seines Wissens nach hatte sein Vater, der Viscount, bereitedas gesamte Vermögen der Willowbys am Spieltisch und mit Frauen durchgebracht. Kaum anzunehmen, daß er seinem Ältesten eine reiche Apanage zahlen konnte. Nun, von dem, was Richard Willowby heute abend gewonnen hatte, konnte er gut und gerne ein Jahr leben, wenn er sparsam damit umging. Es war allerdings nicht damit zu rechnen, daß er sich großer Sparsamkeit befleißigte. Schade um das gute Geld. Was würde wohl Mama dazu sagen, wenn er ohne das Gespann und mit viel weniger Pferden als geplant nach Kent zurückkehrte? Sie hatte ihm abgeraten, nach London zu fahren. Sie hatte gemeint, dort würden an jeder Straßenecke Gefahren auf ihren Sohn lauern. Mama hatte recht gehabt. Wie immer.
    »Noch ein Spiel, meine Herren?« meldete sich nun eine näselnde Stimme zu Wort. Mr. Steanton schreckte aus seinen Gedanken auf. Lord Peter Bridgegate war der vierte Mann in ihrer Kartenrunde. »Beau Bridge«, wie man ihn in der Gesellschaft für gewöhnlich nannte. Der älteste Sohn des Herzogs von Milster. Ein Adonis, wie man allgemein sagte. Mr. Steanton rümpfte die Nase. Natürlich sah Bridgegate gut aus. Die schwarzen Locken glänzten im Schein der Kerzen, die enggeschnittene, dunkelblaue Jacke betonte die breiten, durchtrainierten Schultern. Dennoch wirkte der Gentleman zu feminin für seinen Geschmack. Die dunklen Augen waren von einem Kranz dichter Wimpern umgeben, die Lippen wohlgeformt, die Nase schmal und gerade. Wie bei einem Mädchen, dachte Mr. Steanton kritisch. Und dann erst das blasierte Gehabe, das Seine Lordschaft an den Tag legte. Die routinierte Eleganz, mit der er seine reichverzierte emaillierte Schnupftabaksdose öffnete.
    Die Wanduhr schlug die volle Stunde. Zwei Uhr früh. Spät genug, um aufbrechen zu können, ohne seinen Gastgeber zu beleidigen.
    »Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen, meine Herren«, sagte er daher und stemmte seine breiten Handflächen auf die Tischplatte, um sich zu erheben. »Es war ein sehr angenehmer Abend. Aber ich muß Sie jetzt leider verlassen. Ich habe morgen einen anstrengenden Tag vor mir.« Sein Gastgeber war ebenfalls aufgestanden.
    »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Steanton«, meldete sich Richard Willowby mit spöttischem Grinsen zu Wort.
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