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Der Sturm aus dem Nichts

Der Sturm aus dem Nichts

Titel: Der Sturm aus dem Nichts
Autoren: James G. Ballard
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ein. Er war groß und hager, mit breiten Schultern und schwarzem Haar, das ihm tief ins Gesicht hing.
    Der Sanitäter zog sich zurück, doch Lanyon begann die Tür zu öffnen. Über die Schulter rief er Goldman zu: »Setzen Sie zurück bis zur Kirche! Ich will sehen, ob wir nicht helfen können.«
    »Commander, wenn wir anfangen, diesen Leuten zu helfen, kommen wir nie nach Nizza. Die haben doch ihre eigenen Rettungsmannschaften.«
    »Hier sind jedenfalls keine. Los, haben Sie nicht gehört? Setzen Sie zurück!«
    Als er den Riegel aufschob, riß ihm der große Italiener draußen die Tür aus der Hand. Er sah erschöpft aus und wie von Sinnen. Er zog Lanyon aus dem Wagen, schrie auf ihn ein und wies erregt auf die Kirche. Goldman setzte mit dem Transporter rückwärts aus der Straße auf den Marktplatz. Die Sanitäter sprangen heraus und schlossen hinter sich die Tür.
    Als sie die Kirche erreichten, hagelte es ringsum Ziegel und Zementbrocken auf das Pflaster. Der Italiener bahnte sich einen Weg durch die Leute unter dem Portal und stürmte Lanyon voran in das Kirchenschiff.
    Hier sah es aus, als wäre eine Bombe explodiert. Eine Gruppe von Frauen, älteren Männern und Kindern hockte im Schutze des Altars auf der Erde, während der Priester und fünf, sechs jüngere Männer die Mauertrümmer wegräumten die beim Einsturz des Turmes nach innen gefallen waren und einen der langen Stützbalken mitgerissen hatten. Der Balken lag quer über den Bänken. Darunter konnte Lanyon mitten zwischen Staub und Steintrümmern Fetzen schwarzen Tuches zerrissene Schuhe und verkrümmte menschliche Körper erkennen.
    Über ihnen zerrte der Wind an den gezackten Rändern des zehn Fuß großen Loches im Dachstuhl und gefährdete die Rettungsarbeiten. Zusammen mit dem großen Italiener packte Lanyon das eine Ende des Dachbalkens, doch es gelang ihnen nicht, ihn von der Stelle zu rücken.
    Lanyon machte kehrt und wollte den Kirchenraum verlassen, doch der große Italiener rannte ihm nach und packte ihn bei der Schulter.
    »Nicht gehen!« schrie er heiser und wies auf den Trümmerhaufen. »Meine Frau! Meine Frau! Du bleiben!«
    Lanyon versuchte ihn zu beruhigen. Er zeigte ihm, daß der Transporter rückwärts bis unter das Portal gefahren war. In der offenen Tür hockte einer der Sanitäter. Lanyon riß sich von dem Italiener los, lief auf den Wagen zu und rief: »Goldman, setzen Sie die Winde in Gang. Wo ist das Kabel?«
    Sie holten es hervor, machten es an der Winde fest und schleppten das freie Ende in die Kirche, wo Lanyon und der Italiener es an dem Balken befestigten. Dann startete Goldman den 550-PS-Motor, straffte das Kabel und zog den Balken vorsichtig seitlich von den Bänken herunter in den Mittelgang hinein. Augenblicklich begannen sich einige der Opfer, die unter dem Balken gelegen hatten, zu regen. Eine junge Frau, in die Reste eines einstmals schwarzen Kleides gehüllt, arbeitete sich allein hoch und kroch mühsam heraus. Der große Italiener grub wie rasend mit den Händen in den Trümmern.
    Mehr Menschen drängten von hinten in die Kirche herein, und Lanyon entdeckte einen Trupp uniformierter Männer und mehrere Carabinieri, die Bahren und Plasmaflaschen mitbrachten.
    »Herzlichen Dank, Captain«, sagte der Sergeant zu Lanyon. »Wir sind Ihnen und Ihren Männern außerordentlich dankbar.« Mit traurigem Kopfschütteln sah er sich in der Kirche um. »Die Leute hatten um das Nachlassen des Windes gebetet.«
     
    Lanyon und die Sanitäter kletterten wieder in den Wagen. Die Türen wurden verriegelt, die Fahrt ging weiter.
    Atemlos, seine zerschundenen Hände massierend, wandte sich Lanyon an die Sanitäter, die sich auf die Matratze geworfen hatten. »Hat einer von euch gesehen, ob der Lange seine Frau herausbekommen hat?«
    Sie schüttelten zweifelnd die Köpfe. »Ich glaube nicht, Commander.«
    Goldman gab Gas und richtete das Periskop. »Der Wind nimmt zu, Commander. Eins-zehn jetzt. Wir müssen uns beeilen, wenn wir vor Einbruch der Dunkelheit in Nizza sein wollen.«
    Lanyon sah den Fahrer an, der seinen Zigarettenstummel nervös von einem Mundwinkel in den anderen schob. »Keine Angst«, sagte er dann. »Von jetzt an werde ich mich ganz auf den General konzentrieren.«
    Um sieben Uhr abends überquerten sie bei Vintimille die Grenze. Die leichtgebauten Zollhäuser und die Schlagbäume waren verschwunden, die Grenzposten beider Seiten hatten sich hinter Sandsackwällen in die Erde gegraben.
    Wenige Stunden später hatten
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