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Der Sturm aus dem Nichts

Der Sturm aus dem Nichts

Titel: Der Sturm aus dem Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
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leichten Ärger auf Hamilton, doch vielleicht hatte auch der Admiral keine Ahnung von Van Damms Tod gehabt.
    Fünf Meilen vor Monte Carlo passierten sie ein kleines unter einer hohen, mit weißen Hotels bebauten Klippe sich hinschmiegendes Dorf. Die Straße zwischen den hohen Mauern wurde enger, und dann fluchte Goldman plötzlich und trat auf die Bremse. Lanyon spähte durch das Sehrohr und entdeckte mitten auf der Straße zwei Gestalten in flatternden Ölhäuten, die wie wild die Arme schwenkten. Als sie näherkamen, sah Lanyon neben ihnen einen Stapel Gepäck mit grellfarbenen Etiketten von Luftgesellschaften stehen.
    »Halten Sie!« befahl er Goldman. »Das sind Amerikaner. Scheinen hier liegengeblieben zu sein.«
    Sie hielten, und die Sanitäter entriegelten die hintere Tür. Weit hinausgelehnt, winkte Lanyon die Gestalten heran und entdeckte gleichzeitig noch ein paar Gesichter an den Fenstern eines Hauses.
    Einer der Männer kletterte auf den Wagen und ließ sich heftig keuchend auf einen Sitz fallen.
    »Tausend Dank, daß Sie gehalten haben«, sagte er und berührte dankbar Lanyons Schulter. »Wir hatten's schon aufgegeben.« Er war etwa fünfundvierzig Jahre alt, schlank, mit grauem Haar und klaren Zügen.
    »Wie viele sind Sie denn?« fragte Lanyon und zog die Tür zu, um sich vor den heftigen Böen zu schützen, die in das Wageninnere stießen und auch das letzte bißchen Wärme vertrieben.
    »Nur vier. Ich heiße Charlesby, ich bin US-Konsul in Mentone. Die anderen sind Wilson, mein Stellvertreter, seine Frau und ein Mädchen von der NBC. Wir sollten die Evakuierung der amerikanischen Staatsangehörigen nach Paris organisieren, aber hier ist alles beim Teufel. Unser Wagen ist zusammengebrochen, und wir liegen hier seit zwei Tagen fest.«
    Der andere Mann in der Ölhaut kam jetzt ebenfalls auf den Wagen zugelaufen. In seinem Schutz lief ein rothaariges Mädchen in weißem Regenmantel und Plastikstiefeln. Die beiden wurden auf den Wagen gezogen und setzten sich auf die Matratze. Lanyon und ein Sanitäter sprangen auf die Straße und liefen zu den Koffern, als eine zweite Frau in eng gegürtetem blauem Mantel mit wehendem Blondhaar aus dem Haus gerannt kam und mit langen Schritten auf den Wagen zulief. Sie versuchte, einen der Koffer mitzunehmen, doch Lanyon nahm ihn ihr aus der Hand, legte ihr den Arm um die Schultern und schob sie auf die offene Wagentür zu.
    Als der Transporter anfuhr, kletterte Lanyon wieder nach vorn und hockte sich hinter dem Sitz nieder.
    »Wir fahren nach Genua«, erklärte er Charlesby. »Und wohin wollten Sie?«
    Charlesby knöpfte seine Ölhaut auf.
    »Ursprünglich nach Paris, im Notfall auch zum Luftwaffenstützpunkt Toulon. Dies ist, wie ich annehme, ein Notfall, aber wie uns das nach Toulon bringen soll, ist mir schleierhaft.«
    »Ich würde Sie ins Lazarett nach Nizza zurückbringen«, sagte Lanyon, »doch dazu haben wir keine Zeit. Ich fürchte, Sie müssen mit uns nach Genua zurückkommen und dann sehen, ob Sie irgend jemand wieder in die andere Richtung mitnimmt.« Er beobachtete Wilson, einen jungen Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren, der die zerschundenen Hände seiner Frau, einem blassen, erschöpft wirkenden Mädchen, wenige Jahre jünger als er, zu wärmen suchte. »Alles in Ordnung da hinten?« fragte Lanyon. Als Wilson nickte, wandte er sich an das Mädchen im blauen Mantel, das neben ihm auf der Matratze saß.
    »Und Sie? Ist Ihnen Genua recht?«
    »Hm-hm. Vielen Dank, Commander.« Sie steckte sich das Haar zurück und sah Lanyon von oben bis unten an. Ihre Züge waren energisch, die Lippen weich, und die großen, klugen Augen maßen den Commander mit unverhohlenem Interesse.
    »Charlesby sagte, Sie arbeiten für NBC? Als Reporterin?« wollte er wissen. Der Wagen legte sich in eine Kurve, und sie fiel gegen ihn. Durch den straff sitzenden Mantel spürte er ihre warmen, kräftigen Schultern.
    Sie richtete sich, eine Hand auf seinen Arm gestützt, wieder auf und blies Zigarettenrauch in die Luft.
    »Patricia Olsen«, stellte sie sich vor. »Vom Pariser Büro. Bin letzte Woche hier 'runtergekommen, um den Leuten daheim ein paar Schnappschüsse vom zerstörten Monte Carlo zu liefern.« Sie klopfte an ihr Tonbandgerät, das neben ihr stand. »Doch alles, was ich hier drauf habe, ist mein eigenes Geschrei.«
    Lanyon lachte und kletterte in seinen Sitz. Der Transporter verlangsamte jetzt sein Tempo, bis er nur noch vorwärtskroch, und Goldman deutete auf das Sehrohr.

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