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Der stille Schrei

Der stille Schrei

Titel: Der stille Schrei
Autoren: Leon Specht
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gewesen oder hatte er einen großen beruflichen Erfolg zu verzeichnen? Egal. Ich musste auf mein Auge aufpassen.
    Still setzte er sich an den Tisch und leerte das erste Glas Weizenbier in einem Zug. Dann rülpste er. Das Geräusch ging im lauten Zischen des Fetts unter, in dem ich die Kartoffeln und das riesen Rumpsteak braun anröstete. Die zweite Flasche stand schon eisgekühlt für ihn bereit. Er goss sich ein. Die goldbraune Flüssigkeit floss gluckernd in das hohe Weizenglas. Der Schaum quoll nach oben. Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, während ich am Herd mit den zwei Pfannen hantierte.
    Das Glas war gefüllt, das Steak war blutig, die Kartoffeln waren kross. Ich servierte ihm seine Leibspeise und setzte mich ihm gegenüber, an einer Karotte knabbernd.
    Gierig biss er in das Steak. Schmatzend, mit halb offenem Mund kauend, wie ein wildes Tier, das Fleisch der erlegten Beute zerteilend. Sein böses Auge funkelte mich an. Es wurde noch kleiner. „Was war das letzte Nacht?“
    Mein Mantra meldete sich. „Du schlägst mich nicht mehr. Sonst laufe ich dir wieder weg. Und für immer.“
    Ein Geräusch drang aus seinem Mund. Eine Art Grunzen, untermalt von dem Zerbeißen der kross-knackigen Bratkartoffeln. Er sagte nichts, sondern schaute mich mit diesem Tötungsblick durchbohrend an. Kaute weiter. Trank wieder einen Schluck. Rülpste erneut. Ließ er sich bei seiner Geliebten auch so gehen? Oder war er dort der charmante Liebhaber? War ich für ihn der Abfalleimer? Ich schien Glück zu haben, das fröhliche Auge gewann die Oberhand. Er behielt die Contenance.
    „Du weißt, dass ich nur selten ausraste. Wenn du mich bis aufs Blut reizt. Lass es zukünftig, dann brauche ich dich auch nicht mehr zu züchtigen, wie es sich für einen ordentlichen Mann gehört, der seiner Frau Manieren beizubringen hat.“
    Das Entsetzen schnürte mir die Kehle zu. Zum Glück. Sonst hätte ich aufgeschrien oder zumindest gestöhnt. Was ihn wiederum gereizt hätte. Also kann Entsetzen auch etwas Positives haben, flüsterte so leise, dass er es nicht hören konnte, meine positive innere Stimme.
    Ich beruhigte mich damit, dass ich diese Gedanken von ihm schon kannte. Er hatte sich sogar mehrere Bücher besorgt, wohl auf Empfehlung seines Arzt-Freundes, die aus der Tradition von Folterknechten stammten und lehrten, wie man eine Frau so züchtigt, dass man die Spuren hinterher nicht oder kaum sieht. Für solche Feinheiten war Karl aber eindeutig zu grob. Warum sollte er dies auch tun? Polizei- und Arztfreund machten doch Ähnliches. Zu dritt zogen sie durch die Dörfer und Edelbordelle und nannten es ihre Skatturniere, im Kalender war dafür fein säuberlich der erste Freitag im Monat reserviert. Ein Abend, auf den ich mich immer freute, ließ er mich doch hundertprozentig in Ruhe.
    Das Steak war verschwunden, der Berg Bratkartoffeln in seinem Magen gelandet, nur eine hellrote Spur des aus dem Steak ausgelaufenen Blutes zeugte von seinem Mahl. „Bring mir noch ein Bier. Und wenn du weglaufen solltest: ich finde dich. Ich werde Polizei und Detektive auf dich hetzen. Gnade dir Gott, wenn ich dich dann in meinen Händen habe. Ich werde dich zerfleischen. Mich verlässt keine Frau.“

PULSFREQUENZ
    Meine dritte Einheit bei Tim. Zuvor hatte ich in einem Sportfachgeschäft das richtige Outfit gekauft. Laufschuhe, Trainingsanzug, Klamotten für jedes Wetter.
    Als Tim mich sah, war er nicht begeistert. „Okay? Ich sehe, Sie nehmen es ernst, Frau Röder. Aber Sie hätten mich auch fragen können. Schuhe sind nicht gleich Schuhe. Aber Sie haben Glück gehabt. Das Modell ist in Ordnung.“
    Dieser blonde Riese schüchterte mich jedes Mal ein. Ich versuchte es mit einem Konter: „Sehen Sie es positiv. Ich habe mich bewegt.“
    Sein Grinsen war ehrlich. „Right, right, rightyright.“ Er sang mehr, als dass er sprach. Eine Angewohnheit von ihm, alles in Formeln, Abkürzungen und Singsang zu vertonen.
    „Mylady Röder, dann wollen wir mal so richtig einsteigen. Als ich das letzte Mal so zartfühlend Ihren Maximalpuls erspürte, kam ich auf beachtliche 180 Schläge. Very well. Nun kommt etwas Theorie: Wir trainieren so, dass Sie im aeroben Bereich bleiben. Die Energie wird aus dem Sauerstoff-Stoffwechsel, cooles Wort, Sauerstoff-Stoffwechsel, bereitgestellt. Das trainiert Ihre Fähigkeit zur Ausdauer, also möglichst lange zu laufen. Für kurzfristige Höchstleistungen gibt es einen anaeroben Stoffwechsel. Hier saugt sich der Körper die
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