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Der stille Schrei

Der stille Schrei

Titel: Der stille Schrei
Autoren: Leon Specht
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„Hier ist Ihr Trainingsplan. Sie sind relativ fit. Wenn Sie wollen, dürfen Sie jeden Tag eine kleine Einheit von 20 bis 30 Minuten absolvieren. Minimum sind vier Einheiten die Woche. Nach zwei Wochen steigern wir dann die Zeiten.“
    Das klang einfach und leicht. „Zu welchen Zeiten soll ich laufen?“
    „Wann Sie wollen. Am besten aber morgens.“
    Mittlerweile fand ich ihn gar nicht mehr so schrecklich laut und aufgesetzt. Ach ja, dann fiel mir noch ein, dass ich noch gar nicht nach der Bezahlung gefragt hatte.
    „Was kostet denn das Training bei Ihnen?“
    „Ich bekomme 200 Euro pro Stunde.“
    Da ich schon einmal im Kopfrechnen geprüft wurde, rechnete ich den Betrag hoch. „Bei acht Stunden pro Tag haben Sie also einen Tagessatz von 1.600 Euro. Wenn Sie zwanzig Tage im Monat arbeiten, verdienen Sie 32.000 Euro. Nicht schlecht!“
    Grinsend entgegnete er: „Yeah, aber wer ist so verrückt, dass er acht Stunden pro Tag und zwanzig Tage pro Monat arbeitet?“
    Jedenfalls fiel mir ein, dass ich mich dringend um meine Finanzen kümmern musste. Ich wurde nachdenklich. Aus der Haushaltskasse konnte ich so viel Geld nicht auf die Seite bringen. Ich würde es mit Lisa besprechen. Irgendetwas würde uns einfallen.
    „Kann ich Sie beim nächsten Mal bezahlen? Ich habe keine 400 Euro für die beiden ersten Stunden dabei.“
    „Klar, no problem. Was kann ich sonst noch für Sie tun, young lady?“
    So ernst und einfühlsam hatte ich ihn noch nie erlebt. Mir wurde ein wenig schwindlig. Also schwieg ich besser.
    „Darf ich Sie etwas Persönliches fragen?“
    „Ja, warum nicht?“
    „Warum darf ich Sie nicht bei Ihrem Vornamen nennen, Frau Röder?“
    Ein Schreck fuhr mir so in die Glieder, dass ich sogar zusammenzuckte. Er wartete dieses Mal geduldig ab. Seine Frage rührte an ein traumatisches Erlebnis. Das konnte ich ihm nicht erzählen. Ich hatte es so gut verdrängt, und nun kam es wieder an die Oberfläche. Also nahm ich Zuflucht zu einer kleinen Notlüge. „Ich erzähle es Ihnen beim nächsten Mal. Ach ja, wann ist das nächste Mal?“
    „Ich denke, dass wir eine Trainingssession pro Woche miteinander machen sollten. Das reicht fürs Erste. Einverstanden?“
    „Einverstanden. Dann komme ich nächste Woche am Dienstag um 10 Uhr. Okay?“

KAVIARSPAGHETTI
    Es tat gut, jeden Morgen eine halbe Stunde zu joggen.   Ich richtete mich nach meinem Pulsmesser und lief verschiedene Strecken durch den Wald. Der Frühling war im Kommen, und die Vögel begrüßten ihn begeistert mit ihrem Gezwitscher. Ab und zu sah ich verschiedene Tiere des Waldes: ein paar Rehe, ein Rudel Hirsche, einen Dachs, einen Fuchs.
    Anfangs hatte ich mir eine Standardstrecke ausgesucht. Aber bald wurde es mir zu langweilig, immer dieselbe Runde zu drehen. Ich hatte die Möglichkeit, in verschiedene Wald- und Feldwege einzubiegen, und konnte mich auf meinen guten Orientierungssinn verlassen. Schließlich hatte ich noch den Rettungsanker des GPS-Empfängers.
    Beim Laufen machte ich eine interessante Beobachtung. Mir schossen, ohne dass ich bewusst nachdachte, viele Ideen durch meinen Kopf. Wie konnte ich meine Finanzsituation regeln? Kurzfristig und vor allem auch langfristig? Was wollte ich heute im Laufe des Tages tun? Was war wichtig, was unwichtig? Mit geklärtem Kopf kam ich zu Hause an, duschte rasch, übertrug die Ergebnisse der Uhr auf mein Notebook und erfreute mich an den Grafiken. Tim hatte mir eine Fitness-Formel mitgegeben und eine auf einem USB-Stick gespeicherte Excel-Tabelle, in die ich die Werte zusätzlich eintrug.
    Es war spürbar, dass wieder Leben in meinen Körper kam. Heute früh beim Laufen war mir eingefallen, dass ich mich noch gar nicht richtig bei Lisa bedankt hatte. Sie hatte mir in meiner bittersten Stunde mutig geholfen und mir zur Seite gestanden. Ich schickte ihr eine SMS mit dem Wunsch, mich mit ihr zu verabreden. Sie simste zurück, dass sie heute Abend Zeit hätte. Das passte gut, denn Karl war auf einer Geschäftsreise, sonst hätte er meine Verabredung nicht toleriert. Ich schrieb Lisa, dass ich für das Essen sorgen und es mitbringen würde.
    Also fuhr ich rasch nach Bad Orb und erledigte die Einkäufe. Es war ein warmer Frühlingstag, und ich hatte noch viel Zeit. Ich schlenderte durch die Einkaufszone des badischen Dorfes, wie Tim es immer nannte, stöberte in der Buchhandlung und trank in einem Café einen Milchkaffee. Den durfte ich mir gönnen. Schließlich aß ich jetzt weniger und gesünder und
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